Deutsche Geschichte Von 1815-1870
Sein größtes Werk, das
Laien-Evangelium
ist seiner Zeit Vielen eine Art von Bibel, ein Erbauungsbuch gewesen, namentlich in den Tagen des Deutschkatholicismus, und es mag dies auch heute noch der Fall sein.
Sallet
bemühte sich in diesem neuen Evangelium, im Anschluß an die Worte der alten Evangelien, dieselben im Sinne eines geläuterten, veredelten Christenthums zu deuten, ihren Geist vom Buchstaben zu befreien und denselben in freier Auffassung auf die jetzigen Zeit- und Lebensverhältnisse anzuwenden. Was dort frommer Glaube und Wunder wirkten, das soll jetzt durch vernünftiges und bewußtes Wollen des wahren Christen erstrebt und erreicht werden, ohne überirdische Zuthaten. Sallet hat auch das Frauenleben, in dem schönen Gleichnisse von Maria und Martha, in den Kreis seiner Betrachtungen gezogen und ihnen damals schon das bedeutsame Wort zugerufen:
»Wollt ihr uns ebenbürtig, Menschen heißen,
Müßt,
Geister
ihr, mit uns im
Geiste
leben!« –
Würdig neben
Sallet
, als ein Mann, in dem ein bedeutendes Dichtertalent sich mit dem festen Muthe des Charakters verbunden zeigte, steht
Robert Prutz
. Mitarbeiter an den Halle'schen Jahrbüchern und schon frühe wegen seiner liberalen Gesinnungen und Schriften verfolgt, trat er zum ersten Male als politischer Dichter im Jahre 1840 auf, durch eine an
Niklas Becker
gerichtete, poetische Antwort, voll dichterischem Schwung, in der er hervorhob, daß der Rhein nur dann wahrhaft frei sein, und keine Eroberer zu fürchten haben werde, wenn die
innere
Freiheit sich an seinen Ufern auferbaut habe. Er ruft unter Anderm:
»Wer hat ein Recht zu sagen und zu singen,
Vom freien Rhein, dem freien deutschen Sohn?
O, diese Lieder, die so muthig klingen,
Bei'm ew'gen Gott, sie dünken mich wie Hohn!
Ja, wolltet Ihr erwägen und bedenken,
Welch' stolzes Wort von Euren Lippen kam,
Ihr müßtet ja die Augen niedersenken,
Mit bitt'ren Thränen voller Zorn und Scham!«
Dann wendet er sich an die deutschen Fürsten, sie daran erinnernd, daß es einen andern Genossen gibt, der ihre Länder besser zu beschützen vermag als die Felsen des Stromes:
»D'rum frisch gewagt und Euch mit ihm verbündet:
Es ist der
deutsche
, ist der
freie Geist
!
Gebt frei das Wort, ihr Herrn, auf euren Thronen,
So wird das Andre sich von selbst befrei'n;
Wagt's und vertraut! in allen Euren Kronen,
Wo gibt's ein helleres, edleres Gestein?
Die Presse
frei! Uns selber
macht zum
Richter
!
Das Volk ist reif, ich wag's und sag' es laut;
Auf Eure Weisen baut, auf Eure Dichter,
Sie, denen Gott noch Größ'res auch vertraut!« u.s.w.
In ähnlicher Weise hat später Prutz noch oft das Wort ergriffen, und was er sonst geleistet als Lyriker, Kritiker und Literarhistoriker ist unserer Zeit genügend bekannt.
Ein derberer, doch nicht weniger gesinnungstüchtiger Sänger war
Hoffmann von Fallersleben
, der, als Philologe, sich auch vorzugsweise mit der Literatur und den Sprachformen des deutschen Mittelalters beschäftigte, und in die ersten Reihen Jener gehört, die die halb vergessenen und doch so reichen Schätze der damaligen Lyrik wieder an's Licht zogen. Auf seine Dichtweise hatte die Vertrautheit mit den alten Dichtformen, namentlich mit dem Minnelied, großen Einfluß, und wir Alle kennen und lieben ja seine prächtigen Kinderlieder, seine Liebes- und Heimathlieder, die namentlich durch ihre Sangbarkeit zur Composition geeignet, in Jedermanns Munde sind. Weniger weiß man heute noch von seinen: »Unpolitischen Liedern!« so von ihm genannt, weil sie, nur Politik enthaltend, für ihn selbst sehr »unpolitisch« waren. Ihr Spott traf denn auch tief genug, um ihm seine Professur in Breslau zu kosten, indem ihm die preußische Regierung dieselbe entzog. Dagegen wuchs seine Popularität um so mehr und Jedmänniglich freute sich der derben Geißel, die er geschwungen, wenn er auch dabei seine lieben Deutschen oft wenig schonte. Nicht ganz mit Unrecht warf er ihnen vor, wie sie fortwährend thatlos blieben, während sie doch gar tapfer mit der Zunge politisiren könnten, auf der Bierbank:
»Deutschland ist noch nicht verloren!
Deutschland strotzt von Kraft und Geist!
Auf der Bierbank –
Allem sei der Tod geschworen,
Was nur wälsch und undeutsch heißt!
Auf der Bierbank!« –
An Hoffmann schloß sich ein junger Kurhessischer Dichter an,
Franz Dingelstedt
, den man bereits als gern gelesenen Lyriker kannte, als sein: »
Kosmopolitischer Nachtwächter
«
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