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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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nun kehrte sein Geist zurück zur Heimath und er benutzte die Kraft seiner Sprache, den Bilderreichthum, der ihm zu Gebote stand, jetzt dazu, seinem Volke gleichfalls einen Spiegel vorzuhalten, ihm nach seiner Art zu sagen, was es werden solle und müsse, wenn es sich endlich aufzuraffen und von den Fesseln der Tyrannei zu befreien, begehre. Im Jahre 1844 schickte er die jährliche Pension von 300 Thalern, die er von dem König von Preußen hatte, zurück, um als freier Mann seine: »Neuen Gedichte«, die 1845 erschienen, heraus zu geben und seitdem hat Freiligrath's Sang alle Geschicke seines Volkes begleitet in Lust und in Leid, bis zum heutigen Tage, und kaum Einen wird es geben, den man mit so vollem Rechte als den Sänger seiner Nation bezeichnen darf, wie ihn. Wie athmete man wieder hoch auf bei dem Erscheinen dieser »Neuen Gedichte«, die wahre Perlen der Poesie enthielten. Wie ergreifend klang uns jenes Lied entgegen: »Am Baum der Menschheit drängt sich Blüthe an Blüthe«, mit der End-Strophe:
     
    »Der Du die Blumen auseinander faltest,
    O, Hauch des Lenzes, weh' auch uns heran!
    Der Du der Völker heil'ge Knospen spaltest,
    O, Hauch der Freiheit, weh' auch diese an!
    In ihrem tiefsten, stillsten Heiligthume,
    O, küß' sie auf zu Duft und Glanz und Schein –,
    Herr Gott im Himmel, welche Wunderblume,
    Wird einst vor Allem dieses Deutschland sein!« –
     
    Aber er konnte auch ernst und strafend mit seinem Volke reden, und wie ich Ihnen das bezeichnendste Gedicht Herwegh's an Deutschland mitgetheilt, so möchte ich auch Jenes von Freiligrath nicht übergehen, worin er
Deutschland
mit
Hamlet
vergleicht und sein Vaterland anfleht, die Tragödie in einer anderen Weise zu enden, als mit dem eigenen Untergang, wie Jener.
     
    Hamlet
.
     
    Deutschland ist Hamlet
– ernst und stumm,
    In seinen Thoren jede Nacht,
    Geht die begrabne Freiheit um,
    Und winkt den Männern auf der Wacht.
    Da steht die Hohe, blankbewehrt,
    Und sagt dem Zauderer, der noch zweifelt:
    »Sei mir ein Rächer, zieh' Dein Schwert!
    »Man hat mir Gift in's Ohr geträufelt!«
    Er horcht mit zitterndem Gebein,
    Bis ihm die Wahrheit schrecklich tagt;
    Von Stund' an will er Rächer sein –
    Ob er es wirklich endlich wagt?
    Er sinnt und träumt, und weiß nicht Rath;
    Kein Mittel, das die Brust ihm stähle!
    Zu einer
frischen, muth'gen
That
    Fehlt ihm die
frische, muth'ge
Seele!
    Das macht, er hat zu viel gehockt,
    Er lag und las zu viel im Bett,
    Er wurde, weil das Blut ihm stockt,
    Zu träg' von Athem und zu fett.
    Er spann zu viel gelehrten Werg,
    Sein
bestes
Thun ist eben
Denken
,
    Er stack zu lang in Wittenberg.
    Im Hörsaal, oder in den Schenken! –
    Drum fehlt ihm die Entschlossenheit –
    Kommt Zeit, kommt Rath, er stellt sich toll,
    Hält Monologe lang und breit,
    Und bringt in Verse seinen Groll!
    Stutzt ihn zur
Pantomine
zu,
    Und fällt's ihm einmal ein zu fechten,
    Dann muß Polonius-Kotzebue,
    Den Stich empfangen, statt des Rechten. –
     
    so geht die Parallele des Gedichtes zwischen Deutschland und Hamlet weiter fort, bis der Dichter am Ende ausruft:
     
    Gottlob, noch sind
wir
nicht so weit,
    Vier
Acte sah'n wir spielen erst!
    Hab' Acht, Held, daß die Aehnlichkeit,
    Nicht auch im
fünften
Du bewährst! –
    Mach' den Moment zu Nutze Dir,
    Noch ist es Zeit, drein mit dem Schwert,
    Eh' mit französischem Rappier,
    Dich schnöd vergiftet ein
Laert
!
    Eh rasselnd naht ein
nordisch
Heer,
    Daß es für sich die Erbschaft nehme!
    O, sieh' Dich vor, ich zweifle sehr,
    Ob
dies Mal
es von Norweg' käme!
    Nur, ein
Entschluß
, auf steht die Bahn,
    Tritt in die Schranken, kühn und dreist!
    Denk' an den Schwur, den Du gethan,
    Und räche Deines Vaters Geist!
    Wozu dies Grübeln für und für?
    Doch – darf ich schelten, alter Träumer?
    Bin ich nicht selbst ein Stück von Dir,
    Du ew'ger Zauderer und Säumer?
     
    Aber Hamlet, der Träumer, schien sich jetzt wirklich die Augen ausreiben zu wollen, denn wenn wir von diesem kurzen Ueberblick des geistigen Lebens der Nation, das vielleicht eine neue Zeit ankündigte, zu dem Momente zurückkehren, wo wir die historische Darstellung verlassen haben, begegnen uns aller Orten und mehren sich die Kundgebungen eines erwachenden Geistes. Als tief bedeutsam erscheint es uns nun, wie die ersten Regungen eines entschiedeneren und thatsächlichen Widerstandes sich bei dem Kampfe um eine freiere religiöse Auffassung bemerklich machten und zwar wieder in dem Lande, von dem einst die Reformation

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