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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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sie noch mehr, daß das eigne Vaterland es sei und sicher bleibe gegen die Franzosen. Warum hat Frankreich seit Jahrhunderten Frieden im Innern? weil eine
feste Gränze
es deckte. Und führte nicht der Friede den Franzosen 200,000 geübte, sieggewohnte Krieger zurück? Mittel genug, um den Kampf gegen das ungeschützte Deutschland zu erneuern!«
    Es ist gut, sich solcher Worte zu erinnern, um es recht deutlich daran zu erkennen, wie gerechtfertigt in jedem Sinne es gewesen, daß der Friedensschluß von 1871 uns endlich diese
richtige Gränze
gegeben..
    In gleicher Weise vernehmen wir denn auch schon damals die Mahnungen der bedeutendsten Männer, diesen Zeitpunct zu benutzen, um Deutschland
zur Einheit
zu verhelfen. Leider waren diese Mahnungen mehr die Aeußerungen eines richtigen Gefühls, als klaren Verständnisses über die Art und Weise, in der zu
handeln
sei. Ein Volk, welches wie das deutsche, seit so langer Zeit des Gebrauchs seiner eignen Kräfte entwöhnt war, welches nur regiert
wurde
und seit lange kaum noch irgend einen selbstthätigen Antheil an seiner Gesetzgebung und Verwaltung genommen hatte, konnte es nicht über Nacht lernen, seine eignen Angelegenheiten in die Hand zu nehmen. Als die Wucht des Bedrückers zu groß geworden, da war dieses Volk aufgestanden, wie ein Löwe und hatte die äußere Gewalt durch äußere Gewalt zurückgestoßen, nun legte es sich wieder nieder und wartete auf den Lohn, der ihm kommen sollte. Den Fürsten und Diplomaten blieb somit wieder das Feld offen, aber diese dachten gar nicht daran, den in der Stunde der Gefahr versprochnen Lohn auszuzahlen; im Gegentheil, schon jetzt galten die höflichsten und zahmsten Vorschläge, die man im Interesse der Nation machte, für »demagogische Umtriebe!« –
    Unter solchen Stimmungen und Verhältnissen bereitete sich jetzt in Wien das glänzende Schauspiel vor, welches wir als den
Wiener Congreß
, unseligen Angedenkens, kennen. – Im Jahr 1814 war Kaiser Franz, genau nach Abwesenheit eines Jahres, wieder in seiner Residenz eingezogen, er hatte weder den Einzug in Paris, noch die Reise nach England mitgemacht, aber er bereitete sich jetzt vor, an seinem Hofe alles zu empfangen, was damals Europa in den Spitzen der Gesellschaft an Talent, Geist, Schönheit, Liebenswürdigkeit, aber auch an Verdorbenheit und Verschlagenheit aufzuweisen hatte. Seit Jahrhunderten hatte man keine so glänzende Versammlung gesehen, die zugleich einen Gerichtshof bildete, vor dem sich Alles, was seit Jahren von Napoleon war geschädigt worden, vom Größten bis zum Kleinsten, zusammenfand. – Die Illumination Wiens, begleitet von einem Feuerwerk, wie man es glänzender noch nie gesehen, empfing die Gäste und bildete zugleich den Ausgangspunkt einer wirbelnden Kette von Festen und Vergnügungen, unter derem Geräusch nicht allein der hohe Ernst vergessen wurde, welcher hier am Platz gewesen wäre, sondern die auch den besten Deckmantel abgaben für Intriguen und Ränke aller Art, welche den Congreß zu keinem Resultate kommen ließen. »Le congrès danse, mais il ne marche pas«, dieses bekannte Witzwort des alten Fürsten von Ligne, ist die beste Characteristik jener glänzenden, aber unfruchtbaren und unsäglich frivolen Tage. –
    Unsere vaterländischen Interessen nun, die dort sollten berathen werden, bewegten sich hauptsächlich um zwei Fragen, deren Wichtigkeit damals schon vollständig
klar eingesehen
wurde, die aber dennoch erst 50 Jahre später gelöst werden sollten. – Erinnern wir uns hier einen Augenblick daran, wie 1806 das alte heilige, römische Reich klanglos zur Grube gefahren war, wie der
deutsche Kaiser Franz
II., sich aus einem östreichischen Erzherzog in einen
östreichischen Kaiser
verwandelt hatte.
    Seitdem fehlte den deutschen Staaten jedes einheitliche Band, und nun handelte es sich darum, ein solches neu zu schaffen, die deutschen Landesgebiete neu zu vertheilen. Nirgends sonst, wie in Frankreich, hatte die französische Revolution so tiefe Spuren zurückgelassen, als in Deutschland. Die siegreiche Republik hatte dort, so weit ihr Arm reichte, die geistlichen Ländereien eingezogen und an weltliche Fürsten vergeben; sie hatte die kleinen weltlichen Fürsten schockweise mediatisirt; sie hatte die Umstürzung aller Feudalrechte bei den Standesherren, die unter ihre Herrschaft geriethen, ganz ebenso vollzogen, wie bei den adeligen Grundbesitzern Frankreichs. – Alle diese Beraubten kamen nun schaarenweise heran und

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