Deutsche Geschichte Von 1815-1870
und die Kraft finden, Euch aus der Hand einer Handvoll von Verbrechern zu befreien!«
Die Verhängung des Belagerungszustandes, das Standrecht, wie die Suspension aller Civilbehörden waren ihm, sobald er gesiegt, vollkommen zuständig. Er forderte nun die Stadt auf, sich zu übergeben, und als ihm dieses verweigert wurde, umzingelte er dieselbe mit 90,000 Mann, nachdem er ohne Weiteres sich die Kroaten des Banus angeeignet und denselben einfach zu seinem Lieutenant ernannt hatte. Durch diese Einschließung wurden alle Lebensmittel abgeschnitten und die wohlhabenden Einwohner, wohl 100,000 an Zahl, verließen nun flüchtend ihr schönes, heiteres Wien, das den düstersten Anblick darbot. Die Deputation der Frankfurter Linken war inzwischen noch in die Stadt gekommen und sie, namentlich
Blum
, mahnten dringend zur Ausdauer. Am 23. October hielt der Letztere jene Rede in der Aula, die ihn das Leben kosten sollte. Er forderte darin die Vertheidiger Wiens zum Aushalten und zur Vertheidigung bis zum letzten Blutstropfen auf, denn der Einzug des siegreichen Heeres werde zugleich der Einzug der alten Knechtschaft sein. Zuletzt erklärte er, daß er und seine Collegen mit den Wienern stehen und fallen würden. – Am 24. begannen dann die Feindseligkeiten, zeitweise wieder unterbrochen durch vergebliche Friedensverhandlungen; die ganze innere Stadt war nur ein Barrikadenbau, jede Straße befestigt und die Mobilgarde, namentlich die Studenten zeigten sich voll des kühnsten Muthes: »Wir werden für Euch bluten«, so schloß ein Aufruf, den sie am 25. Oktober erließen, »aber wir werden siegen! Wir wollen aus freien Bürgern nicht wieder Sklaven des Metternich'schen Systems werden!« Diese Furcht, dieses Entsetzen, wieder unter jenes verhaßte Regiment zu kommen, entschuldigt und erklärt vielfach die extremen Wege, auf die man zuletzt in Wien gerathen war, und diese Stimmung erschien selbst der Regierung so sehr als ein Rechtfertigungsmoment, daß sie durch Minister Wessenberg in einem Rundschreiben an die deutschen Höfe ausdrücklich erklären ließ, wie man nicht daran denke, die
Reaction
wieder heraufzuführen, daß man in Wien nur die Beseitigung der Anarchie und die Wiederherstellung eines gesetzlichen Zustandes bezwecke. – –
Am 28. unternahm Windischgrätz den Sturm auf die Stadt, welche fortwährend heldenmüthig vertheidigt wurde; den ganzen Tag über währte der erbitterte Kampf, in verschiedenen Stadttheilen brach Feuer aus, aber erst des Nachts um 11 Uhr gönnte man sich Ruhe, nachdem die Soldaten einen Theil der Vorstädte genommen und bis auf das Glacis vorgedrungen waren, wo sie bivouakirten. Es ist selbstverständlich, daß unter den Vertheidigern Viele gezwungen mitkämpften, daß auch Verrath mit im Spiele war, doch auch ohnedies wäre es unmöglich gewesen, daß sich die Stadt gegen solche Uebermacht geschulter Truppen lange hätte halten können, nur die Ungarn vermochten Rettung zu bringen und man hörte nicht auf, auf sie zu hoffen und zu zählen. – Wieder verhandelte der Gemeinderath mit dem Fürsten, aber Studenten und Arbeiter weigerten sich hartnäckig, die Thore und Basteien zu übergeben, und als es endlich gelang, sie wankend zu machen, da entbrannte ihr Muth aufs Neue, als eine Rauchsäule, vom Stephansthurme aufsteigend, die frohe Nachricht verkündete: die Ungarn kommen! Sie zogen in der That jetzt wirklich heran – aber für Wien zu spät.
Wiederum sah sich Oestreich in dieser äußersten Krise durch die Doppelstellung, welche seine Völker zu einander hatten, aus einer Lage gerettet, welche die schlimmste werden konnte, wenn die Ungarn nun von außen her Windischgrätz angriffen. Als sich Jene jetzt endlich, weil die höchste Noth vorhanden war, entschlossen, den Boden der Gesetzlichkeit zu verlassen, da gab es für das unglückliche Wien keine Rettung mehr. Bei
Schwechat
trafen sie mit Jellachich zusammen, aber er führte nicht seine Kroaten, sondern deutsche Kerntruppen ihnen entgegen, während ein Theil der ungarischen Truppen aus dem Landsturm bestand. So wurden sie nach vierstündigem, heißem Kampfe wieder zurückgedrängt und rücksichtsloser, ungesetzlicher als Jene, legte sich jetzt die schwere Hand der unversöhnlichsten Militärdictatur auf das unglückliche Wien. Am 31. Oktober, nachdem die Vertheidiger noch, wie an den Tagen zuvor, jeden Fuß breit bestritten hatten, ließ der Fürst das Burgthor mit Kanonen einschießen, und nun erst konnten sich die Truppen als
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