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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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Directoriums, in welchem vier Bundesgesandte vertreten waren, aber während Stein jetzt in ihm Trost für die letzten bittren Erfahrungen suchte, wurde auch dieses Werk durch dieselben beeinträchtigt. Die Professoren
Dahlmann
und
Falk
aus Kiel sagten ihre Mitwirkung dabei auf, weil der Bundestag den drakonischen Karlsbader Beschlüssen zugestimmt hatte; sie wollten mit solchen Männern nichts mehr zu thun haben. Dahlmann schrieb an den Secretär der Gesellschaft: »Meine Hoffnung ist dahin, daß unter solcher Leitung und unter solchem Schutze, nach solchen Vorgängen ein Gedeihen für die Wissenschaften aus dem an sich preiswürdigsten Unternehmen erwachsen könne.« –
    Als sich dann Stein selbst an ihn wandte, um seinen Entschluß zu erschüttern, antwortete Dahlmann dem von ihm sonst so hochverehrten Staatsmann die mannhaften Worte: »Unsere Verhältnisse dürfen, soviel ich sehe, nicht diplomatisch zerstückelt, sie müssen bürgerlich ehrlich und offen sein, und wußten wir es nicht sonst, so haben die letzten Ereignisse es uns gelehrt, daß uns unser guter Name noch mehr werth sein müsse, als ein wissenschaftliches Unternehmen!« –
    Dasselbe wurde dennoch, wenn auch nicht mehr mit der ersten Freudigkeit fortgesetzt, und in der Person des Gelehrten
Pertz
, des späteren Biographen Stein's, ein trefflicher Herausgeber gefunden, der die gesammelten Quellen unter dem Namen Monumenta Germaniae historica edirte. –
    Mit den vorhin geschilderten Vorgängen war der Bruch zwischen der Nation und ihren verschiednen Regierungen vollendet: den Reigen der Strafen und Verfolgungen eröffnete der unglückliche Sand, der, nachdem man mühsam das fliehende Leben festgehalten, am 30. Mai 1820 in Mannheim hingerichtet wurde, eine Maßregel, die das Gegentheil von dem erreichte, was man bezweckte, und die dem schwärmerischen Jüngling, mit den schönen mädchenhaften Zügen, den blonden Locken, dessen Bildniß Jedermann haben wollte, die Märtyrerkrone nun vollends auf das Haupt drückte. Er selbst betrachtete seine Hinrichtung als eine nothwendige Sühne, die dem Gesetz dargebracht werden mußte und ging dem Tode ohne Reue und mit männlicher Stärke entgegen. – Viele Meilen weit, und von allen Seiten zogen die Menschen heran, dem Schauspiele in Mannheim beizuwohnen, und man hielt es darum für gerathen, die Hinrichtung einige Stunden früher vorzunehmen, als bestimmt gewesen; doch war auch noch in der früheren Stunde das Schaffot dicht mit Truppen besetzt. Ganz Mannheim trauerte ob des Actes, der sich innerhalb der Stadt vorbereitete; Fenster und Häuser hielt man als Zeichen der Trauer dicht verschlossen, dennoch wogte schon eine große Menschenmenge auf der Richtstätte, als Sand erschien. Er wollte zu dem versammelten Volke sprechen, was ihm jedoch nicht gestattet wurde, und mit den Worten des Dichters: »Alles Irdische ist vollendet, und das Himmlische geht auf!« machte er sich jetzt bereit, den tödtlichen Streich zu empfangen, während es noch zuletzt vernehmlich von seinen Lippen bebte:
    »Ich sterbe in der Kraft meines Gottes!« – Ein lautes Schluchzen, das zum Himmel hinauf tönte, begleitete seine letzte Minute, dann stürzte man sich nach dem Schaffot, um ohne Unterschied des Standes und Geschlechts, die Taschentücher zum Angedenken in sein rinnendes Blut zu tauchen. Mit den Haaren Sand's, mit Splittern von dem Blutgerüste, wurde förmlich Handel getrieben, und man trug diese Reliquien als Heiligthümer in Medaillons und in Ringen. Seinen Richtstuhl nahm später ein politisch Verbannter, nachdem er ihn Jahre lang bei sich aufbewahrt, mit über das Meer nach Amerika. –
    Bis in die Tiefe des deutschen Hauses, des deutschen Familienlebens aber drang dieser Zwiespalt, der sich dergestalt zwischen den Empfindungen des Volks und den Regierungen kund gab, ein; noch nach Jahren priesen feurige Jünglinge Sand's That als herrlich und edel, während besorgte Väter und weinende Mütter, für ihre Lieblinge Aehnliches fürchtend, vergebens die Stimme der Warnung oder der Drohung erhoben! –
     

Sechste Vorlesung
     
    Wiener Schlußacte. Die süddeutschen Verfassungen. Vorgänge in Spanien. Reaction in Frankreich. Zustände in Oestreich
     
    Der Dolchstoß des unglücklichen Sand hatte das Signal gegeben zu einer Massenverfolgung der sogenannten »Demagogen«, die namentlich in Preußen ihre zahlreichen Opfer forderte, denn Preußen hatte sich jetzt seit dem Congreß von Aachen vollständig in das Schlepptau

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