Deutsche Geschichte Von 1815-1870
kund, indem Lorensen gegen die Vorenthaltung des Artikels 13 der Bundesacte, welcher Verfassungen verhieß, protestirte. Er mußte für sein kühnes Wort büßen, aber der König von Dänemark gab den Herzogthümern doch in Folge dessen wenigstens Provinzialstände. Durch Lorensens Auftreten aber, durch seinen Appell an Deutschland, wurde der erste Anstoß zu der so wichtigen und folgenschweren Fortentwicklung der Dinge in Schleswig-Holstein gegeben. –
So hatten sich denn die norddeutschen Veränderungen vollzogen und vollendet, ohne ein Eingreifen der deutschen Großmächte oder des Bundes, einfach nach dem zwingenden Gesetze historischen Fortschritts, obschon die Regierungen allgemein und selbst Staatsmänner wie
Stein
, darin das Ergebniß geheimer Umtriebe und Verschwörungen erblicken wollten. Nichts aber ist weniger der Fall gewesen als dieses; es war der treibende Geist der Zeit, der Einfluß der französischen Journale und Berichte, die man um so begieriger verfolgte, als die einheimische Presse vollständig geknebelt war, welche in jenen Tagen das Bürger-und Beamtenthum an die Spitze von Bewegungen stellte, die nach unten zu allerdings nicht überall ganz glatt verliefen, wobei aber die gemäßigte Parthei stets die Oberhand behielt. Das Gute, welches dem Gesammtvaterlande daraus erwuchs, war zunächst die Näherrückung des Südens und Nordens, die nun ein gemeinsames politisches Leben führten, in so weit diese Bezeichnung hier schon am Platze sein darf. Fürst Metternich hatte sich doch schlimm verrechnet; anstatt der Lahmlegung der süddeutschen Constitutionen, sah er dieselben um eine ganze Anzahl verstärkt, und dazu gesellte sich der Umstand, daß in einzelnen Köpfen, die freilich ihrer Zeit weit voraus waren, schon damals der Gedanke auftauchte, eine Hegemonie Preußen's über Deutschland anzubahnen, um es auf diesem Wege zu einer Nation zu machen. –
Es ist begreiflich, wie man es den Ereignissen in Frankreich, England und Belgien gegenüber wieder doppelt schmerzlich empfinden mußte, so zerspalten zu sein, denn: »Nationalität ist die Persönlichkeit der Völker!« so sagte jener Mann, der, obgleich Süddeutscher und Würtemberger, nicht allein den freien Geist hatte, sich über alle Vorurtheile gegen Preußen hinaus zu setzen, sondern auch den Muth, es offen auszusprechen, was er von diesem Staate erhoffte. Von einem zuerst ungenannten Verfasser erschien: Der Briefwechsel zweier Deutschen, doch erfuhr man bald, er sei der Feder Paul
Pfitzer's
entflossen. Diese Schrift, welche damals ein ungeheures Aufsehen erregte, dann lange Zeit vergessen war, ist neuerdings wieder zu hohen Ehren gekommen, durch den prophetischen Geist, den ihre Worte athmen. – Pfitzer bezeichnet darin, als ein untrügliches Mittel die deutsche Nationalität zusammenzukitten und sich selbst wiederzugeben, ganz entschieden die Vorherrschaft Preußen's über dieselbe. »So lange«, sagt er, »in Deutschland beinahe ein jeder Stamm den Andern beneidet und befeindet, oder in vermeintlicher Ueberlegenheit verspottet und belacht, und lieber sich dem Fremdling in die Arme wirft, als Seinesgleichen eine Ehre gönnt, so lange die Deutschen sich in ihrer Schmach und Zersplitterung gefallen und meinen, es müsse so sein – so lange ist an eine bessere Zukunft nicht zu denken. Wenn aber nun einmal die rechte Gesinnung durchgedrungen und verbreitet ist, wenn seinerseits auch
Preußen
seinen ehrenden Beruf in großartigem Sinne würdig auffaßt und die beschränktere, preußische Nationaleitelkeit allmählig zu einem deutschen Nationalgefühl erweitert; wenn es bedenkt, daß sein Uebergewicht an materiellen Dingen ein
Fingerzeig für seine künftige Bestimmung
ist; alsdann wird, gleichzeitig mit dem oft wegwerfenden Stolz der Preußen, gegenüber von ihren deutschen Volksgenossen, auch das Geschrei über ihre Aufgeblasenheit verschwunden, und Deutschland mehr und mehr geneigt sein, in Preußen den Repräsentanten der Nation anzuerkennen und sich in That und Leben immer inniger mit ihm zu befreunden.«
Vergegenwärtigt man sich solche Worte aus solcher Zeit, dann muß man doch wohl zu der Ueberzeugung kommen, daß hier im objectivsten Sinne das ausgesprochen wurde, was nach Lage der Dinge das unausbleiblich Richtige war. – Die preußische Regierung selbst rechtfertigte leider damals solche Hoffnungen in keiner Weise, und spät erst reifte dort der Saamen heran, der hier schon ausgestreut wurde, aber man wird es dem Fürsten
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