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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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Mauthstätten, in Hanau, Vilbel, Steinheim und an andern Orten wurden sie niedergebrannt. Daneben zerstörte man die Rent- und Amtshäuser, verbrannte die Steuerrollen und die Schuldbücher, wozu sich dann noch gröbere Excesse gesellten, indem man die Wohnungen von besonders mißliebigen Beamten ausräumte, die Möbel in's Feuer warf, die Betten aufschnitt und die Federn davon fliegen ließ. – Vornehmlich in den Standesherrschaften war die Erbitterung groß, weil dort noch die Feudallasten neben den Staatslasten auf das geringe Volk drückten. Dies war auch die Veranlassung, warum gerade in Oberhessen, wo sich noch sehr viele Standesherrschaften befinden, die Empörung in eine Art von Bauernkrieg ausartete. Sonst nirgends war dem kleinen Manne die Steuerlast so empfindlich als dort; auf einen Kopf allein konnte man 6 fl. 12 kr. rechnen. Eine Reise des neuen Regenten, Ludwig II., die er bei seiner Thronbesteigung durch das Land gemacht, hatte 100,000 fl. gekostet; vorhergehende Zerwürfnisse mit den Ständen, welche die Forderung eines neuen Schloßbaues für den nunmehrigen Erbprinzen abgelehnt hatten, verbitterten die Stimmung noch mehr, namentlich in Betracht, daß die Schuldenlast des Großherzoglichen Hauses bereits eine unverhältnißmäßige Höhe zu den Kräften des Ländchens gewonnen hatte. –
    Dieser oberhessische Aufstand war auch in den Septembertagen ausgebrochen; unter Trommelschlag, einem steten Anschwellen ihrer Haufen und den Rufen: »Freiheit und Gleichheit!« zogen die Bauerntrupps von Ort zu Ort. In
Büdingen
zwangen sie den Grafen Isenburg eine Strecke weit mit ihnen zu ziehen, von da wandten sie sich gegen Ortenberg, zerstörten in Nidda das Haus des Landrichters, und breiteten sich dann in drei Richtungen nach der
Wetterau
, dem
Vogelsberg
und nach
Butzbach
hin, aus. Das traurige Zwischenspiel fand dort sein Ende, während man sich in Darmstadt im Schlosse schon zur Flucht vorbereitete, und selbst der Bundestag in Frankfurt gezittert hatte. Der Prinz Emil, ein Bruder des Großherzogs, wurde nach Oberhessen entsendet, und drei Militärcolonnen sollten den Aufstand einschließen, als ein blutiges Zusammentreffen bei dem Dorfe
Södel
, die Sache schnell beendigte, aber auch eine furchtbare Erbitterung zurückließ. Die Dragoner, die man von Butzbach berufen, hatten ohne Weiteres, vor der gesetzlichen Aufforderung an die Leute auseinander zu gehen, in das unbewaffnete Volk scharf eingehauen und dabei Leute verletzt und getödtet, die sich gerade bemühten, die Haufen durch vernünftiges Zureden zu zerstreuen. Es war eine große, unverantwortliche Brutalität, die dort begangen wurde, ein bedeutungsvolles Zeichen der Animosität mit der sich bald allerorten Bürger und Soldat feindselig gegenüber stehen sollten. Die Gebildeten hatten keinerlei Antheil an diesen Dingen genommen, aus denen eine spätere Reaction aber wieder neues Kapital zu schlagen wußte. – Die Hessen-Kasseler Veränderungen nahmen inzwischen ihren Fortgang, und führten zu dem Ziele, daß im September 1831, also ein Jahr darnach, der Kurfürst die neue kurhessische Verfassung beschwor und auch in Hannover konnte man sich jetzt, trotz Metternich's Widerstreben, nicht länger den Forderungen der Zeit entgegensetzen.
    Es gelang dem muthigen Auftreten der Göttinger und Hannoveraner Bürgerschaft, sowie der wackeren Haltung der Göttinger Professoren und Studenten, unter Leitung des Dr. von Rauschenplatt, den mißliebigen Grafen von Münster, den englischen Statthalter, zu entfernen, und von England eine Verfassung zu erringen, die unter dem Herzog v. Cambridge, der nun als Vicekönig seinen Aufenthalt in Hannover nahm, eine Wahrheit werden sollte. –
    Damit war nun der Kreis revolutionärer Bewegungen in Norddeutschland mit gutem Erfolge abgeschlossen nur unbedeutend sind die Zuckungen zu nennen, die sich in den Thüringer Landen kundgaben. In
Meiningen
und
Gotha
kamen die Fürsten gerechten Wünschen aus eigenem Antrieb zuvor, und der Fürst von
Reuß-Greiz
konnte sogar an den Bundestag die beruhigende Erklärung abgeben, »daß in
Höchstseinem Lande
die Ruhe nicht im Geringsten gestört worden sei.« – Die nördlichsten Kleinstaaten blieben gleichfalls ruhig, nur in
Holstein
gab sich, gleichfalls in jenen aufgeregten Tagen, durch die Stimme von W. Lorensen, dem Landvogte der Insel Sylt, (den Th. Mügge zum Helden eines seiner hübschen Romane gemacht) eine Berufung an das Rechts- und Vaterlandsgefühl der deutschen Nation

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