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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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Cholera, einher, um so schreckenerregender als Keiner wußte, wie sie zu bekämpfen, wie ihr zu entfliehen sei. Die russischen Truppen, weit aus dem Süden hergeholt, hatten wahrscheinlich die Plage eingeschleppt, welche jetzt je nach dem Bildungsgrade der betroffenen Landstriche, zu aller übrigen Noth in Deutschland auch noch Excesse und Volkstumulte hervorrief. Man behauptete, die Brunnen seien vergiftet worden, an vielen Orten bürdete man die Schuld den unglücklichen Juden auf – mit einem Worte, die schwüle Luft, welche sich in den dreißiger Jahren über unser Vaterland legen sollte, wurde noch niederdrückender durch die Verheerungen dieser Seuche, der man nur durch die äußerste Absperrung vom menschlichen Verkehr glaubte entgehen zu können, zu welchem Zwecke oft die lächerlichsten Maßregeln getroffen wurden. Natürlich konnten nur die reichen und müßigen Leute sich dergestalt zu schützen suchen, und die Art und Weise, wie dies namentlich an den Höfen in Scene gesetzt wurde, konnte nicht dazu beitragen, die Furcht zu beschwichtigen oder die Liebe zu den Landeshäuptern, die ja doch die Gefahr mit den Ihrigen hätten theilen sollen, zu steigern. In der Nähe der Residenzen wurden überall Cholerahäuser gebaut, wohin sich die Regierenden im betreffenden Falle zurückziehen konnten; eine Menge von fürstlichen Sommerresidenzen verdanken dem ihre Entstehung, in Wien aber wußte man sogar diesen Umstand zu benutzen, um das übrige Deutschland sein Uebergewicht fühlen zu lassen. In Schönbrunn wurde eine großartige Sicherheitsanstalt gegen die Cholera für alle fürstlichen Personen errichtet und auch die fremden Gesandten dahin eingeladen, wobei jedoch alle
deutsche Gesandte ausgeschlossen wurden
, ausgenommen der von Baiern.
    Wie nun aber das Choleragespenst aus Osten kommend über ganz Europa hinschritt und erst am atlantischen Oceane Halt machte, so breitete sich nach dem Falle Polens der noch verderblichere Einfluß Rußland's mehr und mehr nach dem Westen hin aus, und der Herbst des Jahres 1833 sah bei einer persönlichen Zusammenkunft des östreichischen Kaisers mit dem Czaren Nikolaus in
Münchengrätz
, der eine Besprechung Beider in
Teplitz
mit dem König von Preußen vorausgegangen war, wieder das schönste Einvernehmen zwischen den drei östlichen Mächten. Mehr noch als zuvor kam jetzt wieder in Oestreich die ganze Staatsmaschine in's Stocken; ohne die persönliche Zustimmung des Kaisers konnte weder Großes noch Kleines ausgeführt werden und Franz war alt, schwach und unentschlossener als jemals. »Darüber muß man schlafen«, dies war sein Lieblingswort, wenn eine wichtige Frage auftauchte, und so währte es fort, bis er am 2. März 1835 selber entschlief. – Die Gebildeten hofften nun wie immer bei dem Thronwechsel auf eine neue Thätigkeit des staatlichen Lebens; das Volk, dem man seit Jahren ein Mährchen von des guten Kaiser Franzel Testament erzählt hatte, war auf gewaltige Dinge gefaßt und wiegte sich in der seltsamen Hoffnung auf eine außerordentliche Erbschaft, auf eine fabelhaft große Summe Geldes, von der Jeder seinen gebührenden Antheil erhalten werde. Die ganze Erbschaft reducirte sich am Ende auf eine väterliche Ermahnung, die gedruckt überall verbreitet und angeschlagen, ja sogar auf Kanzleien und Ortsstuben unter Glas und Rahmen aufgehängt wurde. Sie lautet ungefähr folgendermaßen: »
Meine Liebe
vermache ich meinen Unterthanen. Ich hoffe, daß ich bei Gott für sie werde beten können, und ich fordere sie auf zur Treue und Anhänglichkeit gegen meinen legitimen Nachfolger, sowie sie mir dieselben in guten und schlimmen Tagen bewiesen haben« u.s.w. Ein Dank an die Armee und die Staatsdiener schloß das kleine Aktenstück, welches – so kindlich naiv war doch damals noch der politische Standpunkt – die Menge in vollem Ernste ergreifen und rühren konnte. – Der Nachfolger von Kaiser Franz, sein Sohn
Ferdinand
I., war bereits 42 Jahre alt, als er einen Thron bestieg, der ihm wenig Freude bringen sollte. In einem wirklich constitutionellen Lande von verantwortlichen Ministern umgeben, mochte »Ferdinand der Gütige«, wie man ihn seiner Gutmüthigkeit und seines natürlichen Wohlwollens wegen nannte, als Regent möglich sein; in Oesterreich bot er das klägliche Schauspiel eines Selbstherrschers dar, der durch Mittelspersonen gegängelt und geleitet werden mußte wie ein Kind. An Epilepsie, dem Erbtheil seiner Familie, leidend, hatte er Perioden

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