Deutsche Geschichte Von 1815-1870
vollständiger geistiger Lähmung durchzumachen, dabei harmlos wie ein Kind, ohne einen Zug der schlauen Verschlagenheit seines Vaters, war er im wahren Sinne des Wortes ein enfant terrible, und machte die Minister und Diplomaten zittern durch seine gutmüthigen Einfälle und schlecht angebrachten Redensarten. Immer nur mit Heraldik, Botanik und ähnlichen Dingen beschäftigt, erschrak er zuerst vor dem bloßen Gedanken, als Herrscher repräsentiren zu müssen, meinte dann aber später: »Das Regieren sei gar so unangenehm nicht, wenn nur das fatale
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nicht wäre!« Trotzdem wiegte man sich in Oestreich mit der Vorstellung, es werde sich jetzt Vieles ändern, und Metternich's Einfluß wie sein System seien gebrochen, weil man wußte, daß Ferdinand den Staatskanzler haßte. Dem aber wußten dessen Anhänger schnell zu begegnen, indem sie ein sogenanntes politisches Testament von Kaiser Franz an seinen Sohn unterschoben und verbreiteten, worin es ausdrücklich heißt: »
Verrücke nichts an den Grundlagen des Staatsgebäudes! Verändere nichts
! Vertraue ganz dem Fürsten Metternich, meinem besten Freunde und treuesten Diener. Ohne ihn unternehme nichts, wo es sich um das Wohl des Staates handelt. Vertraue dich ihm ganz, er wird Dir treu zur Seite stehen und Dir mit derselben Anhänglichkeit dienen, die er mir stets bewiesen hat!« – So war denn auch diese Hoffnung bald wieder vernichtet und es erhielt der Kaiser in der Person des Grafen
Clam Martinitz
einen Generaladjutanten beigegeben, der eigentlich statt seiner regierte und mit den Metternich'schen Ideen ganz übereinstimmte. 1836 wurde Ferdinand in Prag als König von Ungarn gekrönt, und 1838 in Mailand zum Zeichen seiner Oberherrlichkeit über Italien mit der eisernen Krone von Monza geschmückt. Einen guten Eindruck machte gleich bei seiner Thronbesteigung eine umfangreiche Amnestie, die den politisch Gefangenen auf dem Spielberg, und noch anderen Verfolgten zu Gute kam, welche in die italienischen Aufstände des Jahres 1833 verwickelt gewesen. Es waren dies Bewegungen die durch
Mazzini
, den Mann, der ein ganzes, langes Leben und ein großes Vermögen an die Verwirklichung der Idee einer einheitlichen, italienischen Republik gesetzt hat, angeregt wurden. – Die Mailänder Krönung veranlaßte dann eine zweite Amnestie zu Gunsten der Italiener; man nahm diesen Act in überschwänglichster Weise in ganz Deutschland auf, und glaubte nun von dem armen, kranken Ferdinand ein ganz neues Heil erwarten zu dürfen. So tief waren damals alle unsere Hoffnungen niedergebeugt, daß das kleinste Zeichen der Milde und der Versöhnlichkeit von Oben her wie ein Stern in die dunkle Nacht der Gegenwart hineinleuchtete und auf's Freudigste begrüßt wurde. Allerdings bildete Ferdinand's Amnestie den glänzendsten Gegensatz zu der grausamen Härte und Tücke, mit der man zur selben Zeit in Preußen und in dem übrigen Deutschland
Alle
verfolgte und strafte, die politisch mißliebig waren. –
Leider fehlte es wiederum an Solchen nicht, denn mochten sich auch die Wünsche und das Ringen der Nation, zur Einheit und zu einer freiheitlichen Entwicklung durchzudringen, noch so oft als eitel erwiesen haben, man ließ es doch nicht damit. Diese Bestrebungen wurden dringlicher und heftiger, nachdem die Niederlage der Polen zugleich einen abermaligen Wendepunkt für Deutschland's innere Lage herbeigeführt, hatte doch der Bundestag bereits beschlossen und als Grundsatz aufgestellt, es sei gestattet, daß:
eine gegenseitige Hülfeleistung der Regierungen innerhalb der Bundeslande
stattfinde. So konnte also von nun an nicht blos nach Außen hin, sondern in Deutschland selbst, gegen etwaige freiheitliche Regungen intervenirt werden. – Ein Theil der Liberalen zog sich daraufhin vom Kampfplatze zurück, weil ihnen ein weiteres Vorwärtsstreben als unmöglich erschien; Andere führten ihre Sache in den Kammern, wie durch die Presse wacker weiter fort, und überdem entwickelte sich jetzt, da man das Vertrauen auf ein ernstliches Wohlmeinen der Fürsten, auch in Süddeutschland, mehr und mehr einbüßte, dort eine republikanische Parthei, welche unter der Form der
Föderativrepublik
, endlich die Einheit und Freiheit des Vaterlands zu begründen hoffte. Der Hauptschauplatz für die Thätigkeit dieser Parthei war Rheinbayern und Franken; in der erstgenannten Gegend waren Dr.
Wirth
und Advokat
Siebenpfeiffer
– in der Letzteren Dr.
Eisenmann
und Bürgermeister
Behr
, die
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