Deutsche Tugenden: Von Anmut bis Weltschmerz (German Edition)
und sprüht», hat das Glück der Gattung Mensch tatsächlich befördert. Nicht jeder Geistesblitz ist es wert, zur Patentreife befördert zu werden. Auf Gottes Schöpfung, auf Pflanzen und Tiere, darf niemand Patentanspruch erheben – auch dieser Gedanke scheint bei den allermeisten Konsens zu sein.
Aber es gibt ja Felder genug, wohin der Erfindergeist schweifen kann. Die Liste der Erfinder mit den meisten Patenten weltweit wird derzeit angeführt von einem Australier, gefolgt von einem Japaner; dann folgt schon an dritter Stelle – noch vor Thomas Alva Edison – ein Mann aus Tumlingen im Schwarzwald: Artur Fischer, der Erfinder des Plastikdübels und von mehr als tausend anderer nützlicher Dinge. Er steht damit nicht allein. Hunderttausende von Ingenieuren, Forschern und klugen Köpfen gibt es in Deutschland, die an neuen Erfindungen tüfteln und basteln. Auf Gebieten wie der Ingenieurskunst, der Umwelttechnik, der Materialwissenschaft und der Nanotechnologie sind sie weltweit führend. Sie wissen, dass der wohlmeinende Ratschlag «Der Schneider bleibe bei der Nadel, der Schuster bleib den Leisten treu» für einen Erfinder kein tauglicher ist. Lieber halten sie sich an die Ingenieurs-Maxime: «Geht dieses nicht, so eben das!» Denn sie haben gelernt, dass bei Erfindungen, damals wie heute, eine Winzigkeit über Erfolg oder Misserfolg entscheiden kann. Und Jahr für Jahr bringen sie rund 50.000 neue Patente auf den Weg.
Fleiß
D er Blick des großen deutschen Tierforschers Alfred Brehm auf die Tierwelt war kein ungetrübter: Stets blieb der Mensch ihm der zentrale Maßstab. Dessen Tugenden und Laster fand er im Reich der Tiere wieder. So auch das Laster der Faulheit: «Ein am Lande ruhender Seehund gewährt das ausdrucksvollste Bild ebenso großer Faulheit als Behäbigkeit. Namentlich wenn die Sonne scheint, liegt er überaus behaglich und auf lange Zeit hin vollkommen regungslos am Strande. Es sieht aus, als wäre er viel zu faul, um auch nur eine einzige Bewegung auszuführen. Wie er sich hingelegt hat, bleibt er liegen. Bald wendet er den Unterleib, bald den Rücken, bald die rechte, bald die linke Seite der Sonne zu, zieht die Vorderflossen an oder lässt sie schlaff vom Leibe herabhängen, schlägt die Augen auf oder schließt sie wohlgefällig, blinzelt oder starrt gedankenlos ins Weite, öffnet nur zuweilen die verschließbaren Hörgänge und Nasenlöcher und zeigt überhaupt keine andere Bewegung als die durch das Atemholen bedingte. So kann er stundenlang liegen, abgestumpft gegen äußere Eindrücke, gänzlich in seiner Faulheit versunken.»
Ähnlich verhält es sich mit dem Opossum: «Ich muss nach meinen Erfahrungen behaupten, dass dieses Tier noch langweiliger ist als alle Raubbeutler oder Beutelmarder. Regungslos in sich zusammengerollt liegt es den ganzen Tag über in seinem Käfige, und nur wenn man es reizt, bequemt es sich wenigstens zu einer Bewegung: es öffnet den Rachen so weit als möglich und so lange, als man vor ihm steht, gerade, als ob es die Maulsperre hätte … Es ist träge, faul, schlafsüchtig und erscheint abschreckend dumm.»
Mit den einheimischen Tieren scheint es kaum besser bestellt, man muss nur einen Blick auf die Hirsche in den Ibenhäuser Forsten werfen: «Hier ist unser Wild so sorglos und faul geworden,» so heißt es weiter bei Brehm, «dass es sich kaum rührt, wenn es etwas durch das Gehör vernimmt, und nur dann von seiner Lagerstätte sich erhebt, wenn man ihm bis auf vierzig und selbst dreißig Schritte nahe gekommen ist. Aber auch dann noch trollt es nicht immer weg, betätigt vielmehr oft eigenwillige Widerspenstigkeit oder Störrigkeit, gepaart mit plumper Neugierde, welche auf seine geistigen Befähigungen ein nicht eben günstiges Licht wirft.»
Die Krone der Faulheit freilich gebührt jener Spezies, die das Laster bereits im Namen trägt: dem Faultier. Verglichen mit allen anderen Säugetieren erscheinen die Faultiere «als sehr niedrigstehende, stumpfe und träge, einen wahrhaft kläglichen Eindruck auf den Menschen machende Geschöpfe, gleichsam nur als ein launenhaftes Spiel der Natur oder als Zerrbild der vollkommenen Gestalten, welche sie erschuf». Zwar bewohnen sie die Bäume laut Brehm «wie der Affe oder das Eichhörnchen; aber diese glücklichen Geschöpfe beherrschen die Baumkronen, während jene sich abmühen müssen, um kriechend von einem Zweige zum anderen zu gelangen. Eine Strecke, welche für das leichte und übermütige Volk der
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