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Deutsche Tugenden: Von Anmut bis Weltschmerz (German Edition)

Deutsche Tugenden: Von Anmut bis Weltschmerz (German Edition)

Titel: Deutsche Tugenden: Von Anmut bis Weltschmerz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asfa-Wossen Asserate
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der achtzehn Millionen Mitglieder zählt. Nach dem deutschen Vereinsrecht genügen sieben Menschen, um einen solchen zu gründen, notariell beglaubigen und ins Amtsregister eintragen zu lassen. Bunt und reichhaltig ist das Spektrum, vom Agathenburger Backofenverein bis zum Zwickauer Handballclub Grubenlampe, für jede und jeden ist hier etwas dabei. Unter den zahlreichen Fußballvereinen gibt es nicht nur den Sport-Verein Werder von 1899, den Ballspielverein Borussia 09 Dortmund und den Verein für Bewegungsspiele Stuttgart 1893, sondern auch den Verein Holzpfosten Schwerte 05 oder Strickmiezen Kemtau. In München existiert seit dem Jahr 1899 der «Verein gegen betrügerisches Einschenken», der sich für die Schankmoral in den Wirtshäusern und auf dem Oktoberfest einsetzt. Zu dessen Mitgliedern zählen übrigens auch der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude und der ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber. Ja, selbst einen «Verein gegen Vereinsmeierei» soll es mittlerweile irgendwo geben.
    Sage mir, welchem Verein du angehörst, und ich sage dir, wer du bist. Das gilt selbstverständlich auch für die Ab geordneten des Deutschen Bundestages, deren Vereinszugehörigkeiten in Kürschners Volkshandbuch aufgelistet werden. Wer es wissen will, erfährt hier, dass die SPD-Abgeordnete Elke Ferner nicht nur dem Verein für Frauenkultur und Frauenbildung e. V., sondern auch der Karnevalsgesellschaft Daarler Dabbesse angehört und der CDU-Abgeordnete Rudolf Henke in der St. Vincenz-Bogengeschützengesellschaft Niederforstbach aktiv ist. Die FDP-Abgeordnete Dr. Christel Happach-Kasan gehört dem Ratzeburger Förderkreis Kulturdenkmal Stecknitzfahrt e. V. an; die LINKEN-Abgeordnete Kersten Steinke der Jugendweihe Sömmerda und Um land e. V., die GRÜNEN-Abgeordnete Dr. Valerie Wilms sitzt im Beirat des Förderkreises Abgasnachbehandlungstechnologien für Dieselmotoren e. V.
    Und der Autor dieses Buches, wird der eine oder andere Leser an dieser Stelle fragen, gehört der etwa keinem Verein an? Aber ja doch, und das mit Stolz: Seit dem Jahr 1977 bin ich Ehrengrenadier des altehrwürdigen Historischen Grenadiercorps 1810 e. V. von Villingen-Schwenningen, das vor über zweihundert Jahren als städtische Bürgerwehr ins Leben gerufen wurde. Meinen Fahneneid legte ich damals zusammen mit dem späteren baden-württembergischen Ministerpräsidenten Erwin Teufel ab, mit den Worten, wie sie seit dem Jahr 1810 überliefert und in Gebrauch sind: «Wir geloben, dass wir unseren Ober- und Unterbeamten, wie auch unseren Herrn Kommandanten und allen übrigen Offizieren und Unteroffizieren gehorsam, getreu und gegenwärtig sein, sie ehren und respektieren, ihre Gebote und Verbote getreu verfolgen, auf Zug und Wacht, auch in andern Fällen, wie vorfallen mögen und uns unseren Verhältnissen angemessen sind, uns immer als gehorsame, tapfere Männer erweisen, wie es ehrlichen und braven Bürgern und Soldaten zusteht und zu tun gebührt, den von unserem Kommandanten gegebenen Befehlen willig Folge leisten, demnach nie von unserer Fahne und anselbst nie von unserem Corps abheben, sondern dabei bleiben wollen, so wahr wir rechtschaffene Bürger dieser Stadt sind.»
    Die Urkunde meiner Ernennung zum Ehrengrenadier hat bis heute einen Ehrenplatz in meiner Wohnung. Und wer hier ob solcher Vereinsmeierei die Nase rümpft, dem sei gesagt, dass selbstverständlich auch der amtierende badenwürttembergische Ministerpräsident, er gehört bekanntlich der Partei der GRÜNEN an, Mitglied eines Schützenvereins ist. Der Verein bringt die Menschen an einen Tisch, mögen sie auch noch so unterschiedlich sein. In den Dörfern vereint er die Bürger des Ortes. Auf einigen deutschen Marktplätzen sieht man heute noch einen Vereinsbaum stehen, der die Schilder der örtlichen Vereine anzeigt.
    Man darf also mit Fug und Recht den Verein als einen würdigen deutschen Beitrag zur Tugend der Geselligkeit ansehen. Es gibt aber noch eine weitere deutsche Institution, an die ich in diesem Zusammenhang erinnern will: und zwar die des Stammtisches. Auch er hat, wie der Schützen- und der Gesangverein, mit seinem Ruf zu kämpfen. Wer einem Politiker sein «Stammtischniveau» vorhält oder ihm gar «Stammtischparolen» vorwirft, der will das nicht als Auszeichnung verstanden wissen – nur in Bayern ist man noch stolz darauf, wenn man als Ministerpräsident von sich sagen kann, man verfüge über die «Lufthoheit über den Stammtischen». Für viele gilt

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