Deutsche Tugenden: Von Anmut bis Weltschmerz (German Edition)
Butter so lange gebacken, bis eine harte, eines Fingers dicke Rinde umher entsteht. Und diese von Lord Marschall in Sanssouci zuerst angegebene, aber von dem König emendierte und korrigierte Lieblingsschüssel hieß Polenta. Endlich beschloss der König, indem er den herrlichen Appetit lobte, den ihm der Löwenzahnsirup machte, die Szene mit einem ganzen Teller von einer Aalpastete, die so hitzig und so würzhart war, dass es schien, sie sei in der Hölle gebacken. Noch an der Tafel schlief er ein und bekam Konvulsionen.»
Als der französische Hofküchenmeister André Noël de Périgueux den König mit einem neuen Gericht namens Bombe à la Sardanapale überraschte (bestehend aus farciertem Weißkohl mit Speck, Würstchen, Knoblauch und Safran), bedankte sich der preußische Regent mit einer Kulinarischen Epistel in einhundertsiebenunddreißig Versen. Zu viele, um sie hier vollständig wiederzugeben, ein kleiner Auszug möge genügen:
An Sieur Noël, maître d’hôtel
Was an Filets erfand schon dein Verstand!
Welche Pasteten formte deine Hand!
Was an Hachés und Farcen sie ersonnen,
So unsern Gaumen, von dir oft beglückt,
Im neuen Kitzel schmeichlerisch entzückt! …
Ägyptische, griechische, römische Küche
Musste entbehren all die Wohlgerüche,
So die Vollkommenheit dir täglich schenkt.
Du lösest kulinarisch alle Brüche.
Die Phantasie wird stets vom Geist gelenkt.
Lukullus, Romas böser Schlemmerjunge,
Der – Cicero erzählt’s – im Saal Apolls
Sich voll fraß – mangeln seiner Prasserzunge
An «Bombe à la Sardanapale» soll’s!
Was wusste er von diesem Götteressen,
Mit dem sich kein Ragout je könnte messen,
Das heut auf meinem Mittagstisch erschien! …
Er denkt selbst. Nur von eignen Gnaden Mann.
Ein Newton ist er, wenn ’s im Fleischtopf hutzelt.
Ein Cäsar, wenn die Bratpfanne aufprutzelt.
Kein Held der Gegenwart reicht an ihn ’ran!
Das weiß, wer immer sinnlich fühlen kann …
Noël – nun spute dich, flieg in die Küche!
Schon schnuppre ich so wonnesame Rüche,
Dass ich mich kaum noch zu beherrschen mag!
Gönn’ meiner Zunge deine Wunderdinge!
Und dass der Mensch dem Tod ein Schnippchen schlag’,
Sich nähren muss an jedem lieben Tag –
So wolle mir heut nur das Beste bringen!
Hält man sich an die Regenten und Staatenlenker, scheint es fast, als ob in Potsdam und Berlin noch eifriger geschlemmt worden ist als etwa in München oder Wien. Als ein maßloser Esser galt Reichskanzler Bismarck. «Erst um halb zwei Uhr wird gegabelt», beschreibt die Gräfin Spitzemberg die Tischsitten auf Schloss Friedrichsruh, «der Fürst schmaust mit bestem Appetit und echt pommerscher Raffinesse: Hummer, Gänsebrust und Gänsesulz, Sprotten und Hering, Rauchfleisch und Pute, eins nach dem andern sah man in seinen Magen wandern.» Auch seinem Reichskanzleichef, Christian Tiedemann, blieb der kolossale Hunger Bismarcks nicht verborgen: «Der Fürst klagt über schlechten Appetit. Alle Achtung! Da möchte ich ihn einmal mit gutem Appetit speisen sehen. Von jedem Gange nimmt er mindestens zweimal und beschwert sich über schlechte Behandlung, als die Fürstin gegen den Genuss eines Wildschweinskopfes in Sauer energisch protestiert.» Als der Kanzleichef bei einer Abendeinladung zusammen mit dem Fürsten Sybel zu den Nachttöpfen in Bismarcks Schlafzimmer geführt wird, zeigen sich beide höchst überrascht: «Wir treten dort ein und finden unter einem Riesenbett die Gegenstände, die wir suchen, in zwei Exemplaren von geradezu phänomenalen Dimensionen. Als wir uns an die Wand stellen, sagt Sybel so recht aus tiefstem Herzen: ‹Es ist doch alles groß an dem Mann, selbst die S…!›»
Wer viel isst, tut dies nicht unbedingt mit Genuss – nur wenige Gourmands dürfen sich auch als Gourmets bezeichnen. Unter die Gattung der Ersteren ist wahrscheinlich auch der DDR-Staatsratsvorsitzende Erich Honecker zu rechnen. Auch wenn er saarländischer Herkunft war – sein Geschmack war entschieden preußisch geprägt. Jeden Morgen trank Honecker den Saft einer Zitrone, pur und ungesüßt. Gerne aß er Boulette und Braten, aber am allerliebsten Kassler mit Sauerkraut, das er – so sein langjähriger Kammerdiener Lothar Herzog – zu jeder Tages- und Nachtzeit in großen Mengen hinunterschlang. Ging er auf Reisen, wurde ihm ein entsprechender Vorrat seines Leibgerichts ins Flugzeug gepackt. Und während seines Aufenthaltes im sowjetischen Militärkrankenhaus Beelitz brachte sein An walt
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