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Deutsche Tugenden: Von Anmut bis Weltschmerz (German Edition)

Deutsche Tugenden: Von Anmut bis Weltschmerz (German Edition)

Titel: Deutsche Tugenden: Von Anmut bis Weltschmerz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asfa-Wossen Asserate
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cor …» Gibt es in der Musikgeschichte etwas Vergleichbares zu Così fan tutte , jener bitteren Komödie über die Verführbarkeit und die Wechselhaftigkeit des menschlichen Gefühls? Trotz aller Verkleidungen, Lügen und Lockungen: Wenn Dorabella und Fiordiligi, Ferrando und Guglielmo zu ihren Arien anheben, ist alle Ironie verflogen. «Können Mozarts reine Melodien überhaupt lügen?», fragt Joachim Kaiser. Nein, sie können es nicht.
    «In seinem zeitlich so begrenzten Aufenthalt auf dieser Erde hat er die steifen zerebralen Mechanismen, die Sprachmittel seiner Epoche, bis zum Zerbrechen gespannt und ihrem Ende nahegebracht, mit den feinsten, herbsten, tiefsten und höchsten Klängen, die ein menschliches Ohr vernommen hat, dem Leichtesten und Schwermütigsten – mit dem schweren, nachtstückehaften, süßen Wohllaut der Bläser, mit unendlich feinem Muskelspiel der Streicher, den vollkommensten Vokalensembles, mit hellen triumphierenden Trompeten und Pauken.» Dies schrieb der kürzlich verstorbene Komponist Hans Werner Henze über Mozart, und wohl selten ist mit so vielen Superlativen so wenig übertrieben worden.
    Die Welt hat das Genie Mozarts gleich erkannt, die Zauberflöte etwa wurde nach wenigen Aufführungen zum universalen Erfolg. «Alle Handwerker, Gärtner, ja die Sachsenhäuser, deren ihre Jungen die Affen und Löwen machen, gehen hinein, so ein Spektakel hat man hier noch nicht erlebt», schrieb Goethes Mutter aus Frankfurt. Einzig Mozarts Librettist Schikaneder wollte sich dem nicht anschließen: «Wahrhaftig, die Zauberflöte ist ein bedeutendes Werk. Aber der Erfolg meines Stückes könnte noch viel größer sein, wenn Mozart nicht so viel daran verdorben hätte.»
    Was wäre eine Welt ohne Mozart?, fragt der irische Schriftsteller Frank O’Connor. Es gibt darauf keine Antwort – aber ich kann ihm aus vollem Herzen zustimmen, wenn er jenes Lebensgefühl zu umreißen versucht, das sich mit dem Wort mozartisch verbindet: «Es ist eine besondere Betrachtungsweise, die nicht erklärt: ‹Das Leben ist schön, aber so traurig!›, sondern: ‹Das Leben ist traurig, aber so schön!›, und diese Betrachtungsweise, in der Mitte zwischen dem Tragischen und dem Komischen, stellt ein menschliches Maß dar.»
    Aber da ist ja weiß Gott nicht nur Mozart! Händel, Bach, Haydn, Beethoven, Mendelssohn, Schubert, Schumann, Brahms, Bruckner und Mahler – Wie viele Genies hat die deutsche Musik hervorgebracht und wie viele wunderbare Werke haben sie der Welt geschenkt!
    Man muss aber auch ein Ohr dafür haben – und glücklich darf sich nennen, wer aus einem Elternhaus kommt, in dem die Hausmusik gepflegt worden ist, und wer in seiner Kindheit die Gelegenheit erhielt, ein Instrument zu lernen. Auch die Schule kann ihren Teil dazu beitragen. Ich selbst genoss an der Deutschen Schule in Addis Abeba einen formidablen Musikunterricht; unser Lehrer, Herr Hämmerle aus Bad Tölz, war ein enthusiastischer Musikliebhaber. Wir lernten bei ihm Notenlesen, und er machte uns auch mit musikalischen Werken bekannt, die für das äthiopische Ohr höchst ungewöhnlich klangen, Alban Berg und Webern eingeschlossen. Darüber hinaus war ich Mitglied des Schulchors. Und bei vielen unserer Auftritte stand das deutsche Volks- und Kunstlied auf dem Programm. Wir sangen Hoch auf dem gelben Wagen , Alle Vögel sind schon da und natürlich Am Brunnen vor dem Tore und Das Wandern ist des Müllers Lust. Und es hat mir auch nicht meine Liebe zur deutschen Musik und zu Mozart verdorben, dass ich in meiner mündlichen Abiturprüfung die Arie des Pedrillo aus der Entführung vorsingen musste.
    Selten bot sich damals in Addis Abeba die Gelegenheit, klassische Konzerte zu besuchen – geschweige denn eine Mozart-Oper. Umso größer waren die Erwartungen, die sich mit meinem Aufenthalt in Deutschland verbanden. Und wie reichhaltig wurde ich für die Zeit der Entbehrungen entschädigt! Man kann es noch so oft auf Platte gehört haben. Wenn man aber dann im Konzertsaal sitzt und zum ersten Mal hört und sieht, wie Beethovens Eroica oder Schuberts Unvollendete musiziert wird, kommt das einer Offenbarung gleich. Und wie viele Gelegenheiten gibt es nicht dazu! Jeden Tag, Abend für Abend, ereignet sich in Deutschland ein Wunder: Land-auf, landab spielen Dutzende famoser Orchester auf Spitzenniveau, kommen Hunderte Opern, Ballette und Singspiele auf die Bühne – ein schwindelerregender Reichtum, der in der ganzen Welt seinesgleichen sucht. Die

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