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Deutsche Tugenden: Von Anmut bis Weltschmerz (German Edition)

Deutsche Tugenden: Von Anmut bis Weltschmerz (German Edition)

Titel: Deutsche Tugenden: Von Anmut bis Weltschmerz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asfa-Wossen Asserate
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(zweites Märzwochenende), den Deutschen Mühlentag (Pfingstmontag), den Tag des Gartens (11. Juni) und den Tag der Bibliotheken (24. Oktober), den Tag der Heimat (6. August), den Tag des Grundgesetzes (23. Mai) und den Tag des Schlafes (21. Juni). Wem die vorgegebenen Gedenktage noch nicht genug sind, der kann sich auch seinen eigenen, privaten Erinnerungstag schaffen, wie es etwa der Schriftsteller Wilhelm Raabe tat. Den Tag, als ihm die Idee zu seiner Chronik der Sperlingsgasse kam – es war der 15. November –, hielt er sein ganzes Leben lang in Ehren als seinen «Federansetzungstag». Als einer der wichtigsten Termine des deutschen Erinnerungs- und Gedenkkalenders galt lange Zeit der Weltspartag: der Tag, an dem die Schulkinder ihre Sparschweine mit dem übers Jahr darin gesammelten Geld auf die Sparkasse trugen, sich den Betrag ins rote Sparbuch eintragen ließen und dafür als Anerkennung ein Plüschtier, ein Spiel oder ein Buch erhielten.
    Ins Leben gerufen wurde der Weltspartag im Jahr 1924, als die Weltvereinigung der Sparkassen zum Ersten Internationalen Sparkassenkongress in Mailand zusammenkam. Mit dem jährlichen Erinnerungstag sollte der Gedanke des Sparens in die Welt getragen werden. Als Datum wurde der 31. Oktober festgesetzt, nur in Deutschland wich man auf den 30. Oktober aus, da man sonst in Konflikt mit dem Reformationstag gekommen wäre, der in den protestantisch geprägten Ländern als Feiertag gilt. Neunundzwanzig Nationen waren damals in Mailand beteiligt. Aber während sich der Weltspartag in den meisten Ländern nicht recht durchsetzen wollte oder schnell wieder in Vergessenheit geriet, erfreute er sich in Deutschland, insbesondere in der Bundesrepublik, langanhaltender Beliebtheit. Ich kann mich noch an die Zeiten erinnern, als die Kinder mit ihren Sparbüchsen in der Hand am Weltspartag vor den Filialen der Banken Schlange standen. Bis in die achtziger Jahre hinein war das in Frankfurt kein ungewöhnliches Bild.
    Bei seiner Einführung 1924 hatte Deutschland gerade eine Inflation hinter sich, die zu den größten Geldentwertungen der Geschichte zählt. Im Galopp waren die Preise in astronomische Höhen gestiegen, und im Handumdrehen war aus der Papiermark Spielgeld geworden. Man kennt die Bilder, auf denen Frauen beladen mit Waschkörben voller Geld vor den Einkaufsläden stehen und Arbeiter ihren gerade erhaltenen Tageslohn mit der Schubkarre nach Hause rollen. «Die Zeitung gestern! Ein kulturhistorisches Dokument», schrieb Victor Klemperer am 13. August 1923 in sein Tagebuch: «Renner, ein billiges Warenhaus, zeigte an: Herrenstiefel 16½ Mill., Herrenhosen 6,5 Mill., Mützen 3,6 Mill., Damenkleider 55,41, ein billigstes nur 5,750 Millionen. Damenstrümpfe die billigsten ½ Million usw. usw.» Und ein paar Tage später notierte er: «Unsinn häuft sich auf Unsinn, Schmach auf Schmach, Milliardenschein auf Zehnmilliardenschein, und in der unbeweglichen Stille wächst die Not und der Ekel.»
    Im November 1923, kurz vor der Einführung der Rentenmark, bekam man für einen Dollar 4,2 Billionen Mark. Von dem radikalen Währungsschnitt, der dann folgte, proftierten jene, die ihr Geld in Sachwerte angelegt hatten, die Masse der Sparer und Rentner hingegen wurde in jenen Jahren enteignet. «Die Entwertung des deutschen Geldes war in ihrer Wirkung eine zweite Revolution, nach der ersten des Krieges und Nachkrieges», so Golo Mann. Es wurde «uraltes Vertrauen zerstört und ersetzt durch Furcht und Zynismus … Auf was war noch Verlass, auf wen konnte man bauen, wenn dergleichen möglich war.» Und so war mit der galoppierenden Inflation das Vertrauen in den jungen demokratischen Staat der Weimarer Republik geschwunden.
    Die Zeit der Inflation hat sich ins kollektive Gedächtnis der Deutschen tief eingeprägt. Bis heute ist die Angst davor weitverbreitet, dass das mühsam Ersparte bald nichts mehr wert sein könnte – und sie hat in den letzten Jahren der europäischen Banken- und Finanzkrise neuen Auftrieb erhalten. Man darf nicht über seine Verhältnisse leben, heißt es, während die öffentlichen Schuldenberge wachsen und wachsen. Schwindelerregend sind die Summen, die als Rettungsschirme über diejenigen Länder gespannt werden, deren Schuldenberge so hoch gewachsen sind, dass ihnen kaum noch ein Gläubiger zutraut, sie könnten jemals wieder abgetragen werden. Und während die Fachleute weiter darüber streiten, ob die Krisen hier und anderswo durch eiserne Spardisziplin

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