Deutschland allein zu Haus
sein lieber Neffe«, stammele ich.
»Aber seitdem mein etwas ungeduldiger Kollege ihn etwas in die Mangel genommen hat, ruft er nur noch wie eine kaputte Schallplatte ›Asyl, Asyl, Asyl‹!«
»Dieser Mann ist mein lieber, guter, alter Onkel Ömer Engin aus der Türkei! Der ist hier bei uns zu Besuch und versteht kein einziges Wort Deutsch! Asyl will er ganz bestimmt nicht. Was hat er denn so Schlimmes verbrochen?«
»Er hat jemandem für viel Geld unseren Roland und die Bremer Stadtmusikanten verkauft. Vorher hat er Hunderte ahnungslose japanische Touristen ausgeraubt, indem er für ein Foto mit den Stadtmusikanten 10 Euro von jedem kassiert hat«, sagt er verärgert und drückt mir eine sauber ausgedruckte Preisliste in die Hand, die in drei Sprachen angefertigt wurde.
»Herr Kommissar, es stimmt so nicht ganz. Für ein Foto hat er lediglich 5 Euro verlangt«, korrigiere ich den Polizisten, nachdem ich mir die Preisliste von meinem Onkel Ömer richtig angeschaut habe. »Vielleicht hat sich dieser Japaner ja zweimal fotografieren lassen.«
»Wie bitte?«
»Ehm … Ich meine, die Bremer Stadtmusikanten gehören ihm doch gar nicht!«
»Ja, das würde ich auch meinen!«
»Onkel Ömer, wie kamst du denn auf so eine verrückte Idee? Wer hat dir überhaupt diese Preisliste zusammengestellt? Dazu auch noch auf Englisch und Japanisch?«, frage ich mit lauter Stimme meinen Onkel sichtbar streng, um einen guten Eindruck bei den Bullen zu hinterlassen. Den Eindruck von einem seriösen Neffen, der seinem Onkel nicht alles durchgehen lässt.
»Mehmet war so nett, mir die Preisliste in drei Sprachen zu übersetzen. Aber das mit dem Verkauf der Stadtmusikanten war eine spontane Idee von mir, als ich sah, dass ein reicher Japaner sehr starkes Interesse an Esel, Hund, Katze und Huhn zeigte. Getrennt konnte ich die ja nicht verscherbeln!«
»Herr Kommissar, mein Onkel schwört beim Leben seiner Frau und seiner vier Kinder, dass er mit dieser etwas verunglückten Aktion eigentlich nur unserer armen Stadt unter die Arme greifen wollte. Das ist alles meine Schuld! Ich hätte ihm gegenüber Bremens Schuldenberg nicht so sehr dramatisieren sollen. Mein Onkel wollte alle Einnahmen aus der Vermarktung dem Bürgermeister sofort persönlich übergeben«, übersetze ich nicht wirklich wortwörtlich. Auf diesem Spezialgebiet habe ich ja seit mehreren Tagen sehr viel Erfahrung gesammelt.
»Dann klären Sie Ihren Onkel bitte auf, dass man eine Konzession braucht, wenn man auf dem Bremer Marktplatz Handel treiben will. Abgesehen davon, dass er die Stadtmusikanten gar nicht verkaufen darf. Aber da es ja für einen guten Zweck gedacht war, will ich mal beide Augen zudrücken. Nehmen Sie ihn bloß mit, bevor er auch noch unser Revier hier an den erstbesten Touristen verhökert«, grinst der Kommissar und befördert meinen Onkel, mich und meinen Koffer, Gott sei Dank, kurzerhand vor die Tür.
Gut, dass der Kommissar nicht wusste, dass mein Onkel Ömer bereits mehrmals die Bosporusbrücke in Istanbul an naive Dörfler verkauft hat, wenn er wieder mal blank war …
17 Als meine Frau mich und meinen Onkel Ömer vom Balkon aus erspäht, macht sie vor lauter Freude solch riskante und hohe Luftsprünge, dass ich befürchte, dass sie das Gleichgewicht verlieren und auf dem Straßenpflaster landen wird. Um den Balkon mache ich mir auch große Sorgen, der schwankt gefährlich.
»Was war denn los, Osman? Was wollte die Polizei von dir?«
»Die wollten nicht mich, die wollten meinen Onkel Ömer einsperren.«
»Aber der ist doch nur Tourist hier, der alle tausend Formalitäten erledigt hat und sich nur ein paar Tage unser hübsches Bremen angucken will! Erlaubt die neue Regierung etwa nicht mal mehr das?«
»Aber Onkel Ömer belässt es leider nicht wie die normalen Touristen nur beim Angucken, sondern versucht, die Stadt meistbietend zu verkaufen. Zuerst hat er die Stadtmusikanten für Fotoaufnahmen an Touristen vermietet, und als diese Einnahmen ihm nicht reichten, hat er sie einfach komplett an einen japanischen Investor verkauft!«
»Was hat er dafür bekommen?«
»Du meinst an Strafe?«
»Nein, wie viel Geld hat er dafür bekommen? Für die Bosporusbrücke hatte er ja ganz schön viel verlangt.«
»Wegen mangelnder Japanischkenntnisse konnte er nicht so viel aushandeln. Die Bosporusbrücke ist ja auch ein anderes Kaliber.«
»Trotzdem muss man sich bei der neuen Regierung auf alles gefasst machen.«
»Die Stadtmusikanten durfte man
Weitere Kostenlose Bücher