Deutschland allein zu Haus
er hat die Stadt einfach gefunden – so wieColumbus Amerika gefunden hat. Deshalb sind wir Bremer dem Mann ewig dankbar«, sage ich eilig und rufe dann mit viel Getöse, um von der peinlichen Situation abzulenken:
»Tata tataaaaaaa … Meine Damen und Herren und liebe Onkel Ömers, das hier sind unsere berühmten Bremer Stadtmusikanten, um die uns die ganze Welt beneidet!«
Aber genau wie ich vermutet hatte, kann ich in seinem perplexen Gesichtsausdruck nicht viel Bewunderung entdecken – eher ziemlich große Enttäuschung würde ich sagen. Wie bei allen Touristen halt. Aber ich hatte ihn ja gewarnt.
»Diese kleinen Mänikens da vorne sollen die berühmten Bremer Stadtmusikanten sein?«
»Nein, das sind bloß die Japaner, die vor den Stadtmusikanten posieren. Das dahinter sind die Bremer Stadtmusikanten. Die ausländischen Touristen denken, dass es ihnen Glück bringt, wenn sie Esels Schwanz streicheln.«
»Das muss ja eine wirklich riesige Statue sein, wenn die sogar von Japanern verdeckt wird«, lacht Onkel Ömer ironisch und versucht sofort, dem Esel recht rabiat seinen Schwanz abzureißen.
»Streicheln habe ich gesagt, Onkel, nicht abreißen! Das ist doch nicht dein Esel Tarzan!«
»Zu spät!«, ruft er und fuchtelt mit dem abgerissenen Schwanz rum.
Nachdem er diesen Glücksbringer nach langen Verhandlungen einem Japaner für 50 Euro verhökert hat, gehen wir zufrieden nach Hause.
16 Am nächsten Tag liege ich nach der Arbeit total erschöpft auf dem Sofa vor dem Fernseher, bin aber trotzdem sehr glücklich, weil ich heute nicht mit meinem Onkel Ömer durch die Gegend latschen muss.
Meine Frau meint, dass er heute ziemlich früh mit strahlenden Augen die Wohnung verlassen und dabei sehr unternehmungslustig ausgesehen hat – wie ein freches, hyperaktives Kind vor der Bescherung!
Von mir aus! Solange er mich nicht dazu zwingt, bei seinen lustigen, hyperaktiven Unternehmungen mitzumachen, bin ich ein gut erzogener Neffe, der mit seinem Onkel sehr zufrieden ist. Warum soll er auch bei uns im Hause rumhocken – er ist doch gekommen, um sich Europa anzuschauen und nicht mich.
»Osman, Po-Po-Po…«, stottert meine Frau plötzlich als hätte sie sich wieder ihren Allerwertesten verbrannt.
»Eminanim, was ist denn los? Hast du dich aus Versehen etwa wieder auf den Herd gesetzt?«
»Pol-Pol-Pol…«
»Die Polen greifen uns an??«
»Polizeikommissar … ein Polizeikommissar ist am Telefon«, stammelt sie weiter mit kalkweißem Gesicht und drückt mir den Hörer in die Hand.
»Wie bitte? Welcher Polizeikommissar ruft mich denn an? Etwa wegen dem TÜV?«, wundere ich mich und bin froh, dass ich mein Gesicht in diesem Moment nicht sehen kann. Ich sehe sicherlich wie Eminanims verkohlter Hintern aus.
»Herr Engin, kommen Sie bitte sofort aufs Polizeirevier in die Stadtmitte«, brüllt das Telefon böse. Wobei man den Apparat selbstverständlich nicht dafür verantwortlich machen darf. Obwohl vor ein paar Jahrhunderten noch viele Könige den Überbringer von schlechten Nachrichtenauf der Stelle köpfen ließen. Aber die Zeiten haben sich ja schon etwas geändert und ich bin auch kein König und das Telefon kriegen wir ja schließlich auch nicht umsonst.
»Herr Kommissar, bitte geben Sie mir 5 Minuten Zeit, damit ich meinen Koffer packen kann«, stottere ich mit zitternden Beinen.
»Wozu das denn? Sie sollen doch nicht bei uns einziehen.«
»Muss meine Familie mitkommen?«, versuche ich die Situation einigermaßen zu klären. Wir waren nämlich alle nicht angeschnallt!
»Ich sagte doch, Sie sollen hier bei uns nicht wohnen. Wenn Sie obdachlos sind, suchen Sie sich eine andere Herberge aus und an dem Rest Ihrer Familie bin ich auch nicht interessiert. War das jetzt deutlich genug?«, ruft er barsch und knallt den Hörer auf.
»Eminanim, hör auf, dir unnötig Sorgen zu machen. Die wollen uns doch nicht einsperren. Die 500 Euro habe ich doch schon bezahlt«, tröste ich sie, damit ihr Blutkreislauf wieder seine normale Tätigkeit aufnimmt. »Und falls mein Onkel wiederkommt, erwähne bloß nicht, dass ich bei der Polizei bin! Ich nehme auch nur einen Koffer mit.«
Ich fahre mit flatterndem Herzen – zitternde Beine brauche ich ja nicht noch mal zu erwähnen – und einem vollen Koffer zum Polizeirevier.
»Herr Engin, gut, dass Sie endlich da sind«, empfängt mich der Kommissar. »Dieser Betrüger hier nennt seit Stunden immer wieder Ihren Namen. Sind Sie sein Komplize oder der Auftraggeber?«
»Nur
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