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Deutschland allein zu Haus

Deutschland allein zu Haus

Titel: Deutschland allein zu Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Osman Engin
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Jugendlichen und tippt ihm mit seinem Stock ein paar Mal auf den Kopf.
    Der Junge schaut wütend hoch, und bevor er sich revanchieren kann, zeigt ihm Onkel Ömer das Schild oben an der Seite.
    Der Junge stutzt kurz, liest mit wütenden Augen den Text und steht dann mit hochrotem Kopf bedröppelt auf und springt hastig raus.
    »Ja, Onkel, leider haben einige Jugendliche keine Kinderstube und zeigen den Älteren gegenüber nicht den gebührenden Respekt«, entschuldige ich mich für den unhöflichen Halbstarken, obwohl der sich nach meinem Empfinden schon mehr als höflich benommen hat. Ehrlich gesagt, ich wäre nicht sonderlich überrascht gewesen, wenn er meinem Onkel den Stock aus der Hand gerissen und damit auf seinem kahlen Kopf Schlagzeug gespielt hätte.
    »In der Türkei ist es mittlerweile auch nicht viel besser«, sagt er traurig. »Bei uns haben die Jugendlichen leider auch keinen Respekt mehr vor dem Alter. Dort mussten auch in allen Bussen und Bahnen Schilder aufgestellt werden, damit sie für die Älteren ihren Sitzplatz räumen. Korrekt wie die Deutschen nun mal sind, haben sie sogar eine Altersgrenze festgelegt.«
    Um ihm nicht schon jetzt die Illusion von deutscher Ordnung und Korrektheit zu rauben, verschweige ich, dass diese Zahl nichts mit dem Alter der Menschen zu tun hat, für die man seinen Platz räumen muss, sondern eine Drohung an die Schwarzfahrer ist, dass sie, wenn sie ohne Fahrschein erwischt werden, 60 Euro Strafe blechen müssen.
    Das war auch der Grund, warum der junge Mann auf die unglaubliche Provokation Onkel Ömers so besonnenreagiert hat. Er hielt ihn anscheinend für einen besonders erfahrenen Kontrolleur, der keinen Stress haben möchte und ihn diesmal mit nur einer Verwarnung davonkommen lässt …
    »Türkenpack ab nach Hause! Scheißtürken sollte man vergasen!«
    Dieser Mann hat wohl schon einen Fahrschein, so überzeugt wie er eine große Lippe riskiert.
    Einige Fahrgäste schütteln tadelnd den Kopf. Aber viele nicken zustimmend, jemand klatscht sogar Beifall.
    »Was sagt der Mann da hinten über Türken?«, fragt mein Onkel neugierig.
    »Er ärgert sich, dass kein Deutscher höflich genug war, um uns freiwillig einen Sitzplatz anzubieten«, übersetze ich. Gut, dass ich kein vereidigter Dolmetscher bin.
    Mein Onkel spurtet sofort nach hinten und küsst den verdutzten Mann begeistert auf beide Wangen:
    Dankeeeschööön, Dankeeeschööön, Teşekküüürr!
    Der Vergaser von hinten ist plötzlich sprachlos! Er ist mit seinem Fluch-Latein am Ende. Er weiß nicht, wie er uns sonst noch beleidigen soll, wo wir doch jetzt enthusiastisch jubeln.
    »Osman, lade den netten Mann doch zum Essen ein«, schlägt mein Onkel vor.
    »Onkel, 25,5 Prozent der Deutschen sind so nett. Ich kann doch nicht alle zum Essen einladen.«
    Nach diesen beiden kleinen Abenteuern springen wir aus dem Bus und schlendern in Richtung Innenstadt.
    »Tolle Stadt hast du, Osman. Jetzt wird mir klar, warum du dich von Bremen nicht trennen kannst.«
    Ich kann mich nicht trennen – aber ob Bremen sich von mir auch nicht trennen kann?
    Als mein Onkel die große Roland-Statue auf dem Marktplatz sieht, fragt er neugierig.
    »Wer ist denn das? Der große Ataalaman?«
    »Wer???«
    »Der Ataalaman. So wie unser Atatürk.«
    »Nein, das ist nicht der Ataalaman. Das ist der gute alte Roland!«
    »Was hat dieser gute Mann denn getan? Bremen gerettet?«, kommt mein Onkel Ömer auf Fragen, die ich seit 100 Jahren nie gestellt habe.
    »Was der gemacht hat, willst du wissen?« – Ja, das wüsste ich auch gerne!
    Ich gerate bei meiner Touristenführung jetzt schon ins Stottern, bevor sie richtig angefangen hat. Mir wird schmerzlich bewusst, dass ich mich auf den Besuch meines Onkels geschichtstechnisch gesehen sehr fahrlässig vorbereitet habe. Besser gesagt – gar nicht!
    »Oder hat er ganz Deutschland gerettet? Damals vor den Nazis zum Beispiel?« Falls er Deutschland vor den Nazis gerettet haben sollte – bräuchten wir wieder einige von seiner Sorte. »Oder ist er vielleicht selber so einer? Ich habe nämlich gehört, dass die Nazis in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg in ihren alten Berufen einfach weiterwerkeln durften und dazu sogar hoch angesehen waren!«
    Mein Onkel hat sich auf seinen Besuch offensichtlich viel besser vorbereitet als ich.
    »Öhm … na ja, ich glaube, er hat Bremen gefunden«, stottere ich ziemlich unsicher.
    »Wie hat er Bremen gefunden? War Bremen schon mal verloren gegangen?«
    »Nein,

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