Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Deutschland allein zu Haus

Deutschland allein zu Haus

Titel: Deutschland allein zu Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Osman Engin
Vom Netzwerk:
türkischen am allerwenigsten.
    »Du, Arschloch, du machst jetzt alles fertig, was er möchte, und bringst es ihm brav an den Tisch, hast du gehört?«, verkündet der Chef weiterhin seine Regieanweisungen.
    Anthony gibt bei dem Skinhääd seine Bestellung auf, und die fällt nicht zu knapp aus. Gut, dass er angeblich keinen Hunger hatte, sonst würde der Glatzkopf ja nie fertig.
    »Das will ich auch alles, Chef«, ruft Hatice gierig dazwischen.
    »Arschloch, du hast gehört. Das Ganze zweimal!«, brüllt Clint Fehmi Iistwud.
    Der arme Skinhääd schwitzt Blut und Wasser, bis er mithilfe der Bedienung alles fertig gemacht hat. Und das nicht nur wegen der dicken Pistole an seiner kahlen Schläfe.
    Ich muss zugeben, es sind auch keine idealen Arbeitsbedingungen für so einen jungen Mann. Erstens ist er, wie es aussieht, noch ungelernt, zweitens, er muss ohne entsprechende Bezahlung Nachtschicht schieben, und drittens, allem Anschein nach handelt es sich hier auch noch um eine Zwangsarbeit!
    Mit etwas Wohlwollen könnte man diese ungewöhnliche Aktion auch als ›Wiedereingliederung der Glatzköpfe in die Arbeitswelt‹ betrachten. 99 Prozent der Rechtsradikalen sind nämlich laut Statistik der Arbeitsagentur arbeitslos und liegen dem Steuerzahler, also mir, auf der Tasche.
    Nach 20 Minuten bringt der Aushilfskellner zuerst das Essen von Anthony, der sich in die Mitte des Ladens gesetzt hat, und dann bekommt Hatice ihr Tablett serviert.
    »Du, Arschloch, frag mal, was die beiden trinken wollen«, versucht der türkische Chef den Neuen weiterhin auszubilden.
    Anthony möchte einen O-Saft, Hatice eine Cola.
    »Und für mich ein Wasser«, rufe ich.
    Alle vier zusammen, Clint Iistwud, Chef, Arschloch und Pistole bringen die Getränke.
    »Arschloch, jetzt hau ab, und lass dich hier nie wieder blicken!«, brüllt der Clint Fehmi und schließt die Tür wieder auf.
    Der Skinhääd macht sich blitzschnell auf die Socken, bei der ganzen Hektik lässt er sogar seinen schönen Knüppel und die Messer auf dem Tisch liegen.
    Fehmi Clint Iistwud kommt gut gelaunt mit dem Ballermann in der Hand zu uns an den Tisch.
    »Na, Kleine, willst du diese Pistole haben?«, fragt er meine Tochter.
    »Klar!«, ruft Hatice sofort mit glänzenden Augen.
    »Musst aber noch Wasser reinfüllen«, grinst er kuul und souverän, wie eben all die Clint Iistwuds dieser Welt grinsen, wenn sie einen stadtbekannten Schurken unter den bewundernden Blicken der Bevölkerung in die Flucht geschlagen haben.
    Mit einer strahlenden Hatice verlasse ich den Laden.
    Ich befürchte, ab heute wird sie jede Nacht hierherkommen wollen.
    Durch die beschlagenen Fenster des Transits sehe ich, dass ein Dutzend Rechtsradikale mit dicken Schlagstöcken in Richtung Mäkdonalds laufen. Und rufe sofort die Polizei über mein Händy.
    Niemand geht ran.
    Die sind wohl mit Mann und Maus damit beschäftigt, die Migranten aus ihren Wohnungen zu zerren …

25 Am nächsten Tag bringe ich meine kleine Tochter Hatice sicherheitshalber zur Schule, damit sie nicht hinterhältigerweise heimlich und ohne mein Wissen abgeschoben wird, weil das Kind ja zurzeit arbeitslos ist.
    Wenn man genau hinsieht, ist sie sogar ein Härtefall, der sofort abgeschoben werden müsste: Seit genau 8 Jahren, praktisch seit ihrer Geburt, ist der kleine Frechdachs arbeitslos und liegt der Allgemeinheit, und in erster Linie mir, gewaltig auf der Tasche.
    Ab und zu bekommt sie von ihrer Mutter oder ihrer Lehrerin schon irgendwelche Arbeiten aufgebrummt, worüber sie aber nie sehr erfreut ist und denen sie auch nur sehr widerwillig nachkommt, was wohl daran liegt, dass sie keinen Cent einbringen.
    Bis zur Schule läuft heute alles perfekt! Der Opa an der Ecke sitzt bereits gemütlich an seinem Fensterplatz, das rote Kissen wie immer unter den Ellbogen, und beobachtet höchst interessiert die Straße.
    Meine Befürchtungen stellen sich – zumindest für den heutigen Tag – als haltlos und unbegründet heraus. Aber kaum in der Schule angekommen, ereignet sich ein wahrer Super-GAU, mit dem kein Mensch gerechnet hat! Am wenigsten ich …
    Ein Dutzend Elternteile – im Gegensatz zu mir ausschließlich weibliche Elternteile – stehen vor dem Haupteingang, und Hatice lässt allen Ernstes ganz locker und lautstark einen Spruch los, der mich vor lauter Scham augenblicklich im Erdboden versinken lässt:
    »Papa, ich will heute nicht mit diesem blöden Kevin und der doofen Evelyn spielen! Eigentlich will ich mit keinem

Weitere Kostenlose Bücher