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Deutschland allein zu Haus

Deutschland allein zu Haus

Titel: Deutschland allein zu Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Osman Engin
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Deutschen mehr spielen! Ich möchte nur noch mit meinertürkischen Freundin Sevgi was machen«, sagt sie und läuft sofort weg.
    Mir ist diese Situation so was von peinlich, weil die Mütter von Kevin und Evelyn das ganze Spektakel mit hochroten Köpfen mitverfolgten.
    »Ehmmm … ööö …«, stammele ich angesichts der ungeheuren Unverschämtheit meiner Tochter, »ich weiß nicht, was unserer Hatice über die Leber gelaufen ist. Noch zu Hause sagte sie, wie gern sie Kevin und Evelyn hat und wie sehr sie sie nach nur einem Tag vermissen würde.«
    »Das ist überhaupt kein Wunder! Diese bescheuerten Diskussionen über Ausländer gehen an den Kindern selbstverständlich nicht spurlos vorbei. Die unschuldigen sensiblen Kinderseelen sind auf dieses bösartige Klima, das die Nazis so schnell geschaffen haben, einfach nicht vorbereitet …«
    »Tanja, wie recht du doch hast«, bestätigt Evelyns Mutter auf der Stelle, »daran sind nur die NEP und Konsorten schuld! Arme Hatice …«
    »Armes Deutschland!«, übertreibt Tanja.
    Ich bin überglücklich, dass die beiden Mütter für meine extrem unhöfliche Tochter Verständnis aufbringen, obwohl sie ihren Kindern gerade eben ganz schön unnett, ja fast rassistisch, die Freundschaft gekündigt hat.
    »Tanja, Brigitte, wie recht ihr doch habt«, rufe ich ein bisschen erleichtert, »gestern haben wir wieder im Fernsehen drei Sendungen über dieses leidige Thema anschauen müssen und dann hat die Kleine mitten in der Nacht auch noch miterlebt, wie ihre Freundin abgeschoben wurde. Die sensible Hatice hat während der ganzen Zeit ununterbrochen hemmungslos geweint!«
    Sie hat ja gestern Abend tatsächlich geweint, aber nurweil sie vor dem Fernseher nicht wie üblich zwei Tüten Chips ganz alleine auffuttern durfte.
    Unsere hitzig-emotionale Debatte zu so früher Stunde lockt natürlich viele neugierige Frauen zu uns. Und mehrere solidarisieren sich mit mir und schimpfen über die böse NEP. Da frage ich mich natürlich, wo die vielen Millionen Menschen sind, die diese Partei gewählt haben?
    Die netten Frauen umarmen mich nacheinander ganz herzlich und versuchen, mit belegter Stimme ihr Bedauern auszudrücken.
    Ich setze meinen Dackelblick auf und umarme sie ganz doll zurück.
    Die junge hübsche Claudia küsst mich zärtlich auf die Wange und schluchzt laut an meiner Schulter:
    »Herr Engin, ich hasse sie! Ich hasse diese ekelhafte NEP!«
    Bevor das Ganze hier vor der Schule zu einer Art Gruppensexorgie ausartet und ich anstatt von der Abschiebepolizei von der Sittenpolizei abgeführt werde, krächze ich mit Tränen in den Augen sichtlich berührt und mit bebender Stimme:
    »Liebe Freundinnen, ich bedanke mich von ganzem Herzen für eure überaus liebevolle Anteilnahme an meiner schmerzlichen Gefühlslage … Ich werde morgen um diese Zeit wieder hier sein, um mich von euch trösten zu lassen. Auf Wiedersehen«, und trenne mich schweren Herzens von meinen lieben Freundinnen und laufe zu Hatice rüber, die im Schulhof immer noch vergeblich nach ihrer Freundin Sevgi Ausschau hält.
    »Hatice, was ist denn in dich gefahren? Wieso willst du nicht mehr mit den deutschen Kindern spielen? Die haben dir doch nichts getan«, frage ich sie extra laut, um bei meinen neuen Freundinnen noch mehr zu punkten.
    »Wieso sollte ich denn mit denen spielen, die bringen ja in die Schule nie was mit«, zischt die Kleine wie immer ganz schön frech. »Manchmal haben die ein bisschen Schokolade dabei, aber die geben mir nichts ab. Sevgis Mutter backt für uns jeden Tag Börek, Köfte, Baklava …«
    So ist das im Leben!
    Manchmal gibt es für die überaus komplizierten Fragen extrem einfache Antworten …
    »Aber heute ist Sevgi nicht da«, meint sie ziemlich enttäuscht. »Selma auch nicht!«

26 Am Abend sehe ich Mehmet zu Hause mit 5 sehr fotogenen, rot leuchtenden Beulen am Kopf durch die Wohnung stolzieren. Früher trugen Kommunisten ihre Tapferkeitsorden spazieren, heute ihre Beulen.
    »Ich verstehe nicht, warum ich nur 5 Beulen bekam«, lacht er, »dabei habe ich doch zehnmal mehr Schlagstöcke auf die Birne geknallt bekommen.«
    »Das liegt wahrscheinlich daran, dass mittlerweile weite Teile deines hohlen Kopfes gegen Polizeiknüppel immun geworden sind«, versuche ich etwas mehr Licht in die ohnehin leuchtende Beulenfrage zu bringen.
    »Es waren ja nicht nur Polizeischlagstöcke, ich bekam reihenweise Bierflaschen, Baysbolschläger, Wassereimer und Regenschirme auf den Kopf geknallt«, sagt

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