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Deutschland macht dicht (German Edition)

Deutschland macht dicht (German Edition)

Titel: Deutschland macht dicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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antwortete verschleppt: »Der arme ... arme ... der Kerl von ... den ich ... gestern abend ... unten ... einquartiert habe ...«
    »Ach, dieser brunzdumme Eierkopf!« winkte der Käse mit einem dünnen Ärmchen ab, »räudiger, nissenbesetzter Ungläubiger!«
    »Na nun, aber ...«, blubberte Hilde Pinguin, die sich nicht sicher war. »Vielleicht sollte man doch mit mehr Respekt ... immerhin ... ist ... er doch ... explodiert. Und tot. Deswegen.«
    »Stuß!« schimpfte der Käse, »explodiert, klar. Tot, woher denn.«
    Diese merkwürdige Feststellung reichte zwar nicht, Hilde Pinguin aufzuwecken, lenkte sie aber doch kurz vom spektralen Regenbogenspiel ab: »Wie kann er explodieren und nicht tot sein?«
    »Simpel«, sagte der Kamikäse, »wo wir sind, passiert nichts mehr. Der Ort ist abgeschlossen, und die Zeit ist es auch.« Er wollte ausdrücken, was ihm in Fleisch und Milch übergegangen war, als ihn die Umstülpung des Landes zu dem gemacht hatte, was er nun war: Kausalität hatte im neuesten Deutschland keinen Ort mehr. Was er da wußte, verstand er nicht, aber damit hatte er, wie mit Unsinn überhaupt, kein Problem. Der Käse knurrte: »Wenn’s knallt, hat’s hier keine Folgen. Versteht das deine Vernumpf nicht?«
    »Leuchtet so schön ...«, sagte Hilde Pinguin, die kein Wort begriffen hatte.
    »Eben!« spuckte der Käse. »Das, was da leuchtet, ist dein komischer Professor, der sich wieder zusammensetzt.« Er hatte recht: Was schillerte, war eine geschlossene Ereigniskurve, nichts weiter. Pompös blies er sich auf und röhrte: »So folge mir also!«
    »Wieso?«
    »Wir sollten uns von diesem Ort der Hunde, die ihr eigenes Erbrochenes verzehren, fortverfügt haben, bevor nicht nur dein Professor, sondern auch die Diener des Großen Satans wieder sie selbst sind.«
    Hilde Pinguin stand auf, weil ihr nicht einfiel, was sie sonst hätte tun sollen. Der Käse schien zu wissen, was er wollte, und da sie selbst von sich nichts ähnliches sagen konnte, lag auf der Hand, wer hier das Sagen hatte.
    Im großen Zimmer unten schmierten und sprühten gegeneinander phasenverschobene Fragmente kaputter Leute herum, bündelten Licht in allen möglichen und unmöglichen Frequenzen, zerstreuten es wieder, schmiegten sich aneinander, sangen leise.
    Der Käse linste in den Garten: »Sind noch da. Hocken, lauern. Geschwind, elendes Weib, ich weiß einen Weg durch den Keller!«

23.
Monogenis
     
    Am zweiten Morgen nach der Selbstdurchdringung des verwünschten Landes erschien, als Werner Holbach aufstand, sich wusch und dann ankleidete, um wie jeden Morgen in die Redaktion zu fahren, die auf unabsehbare Ewigkeiten hinaus jeden Tag dieselbe Ausgabe produzieren würde, vor seinem Kleiderschrank der Geist Joseph Schumpeters. Holbach nickte ihm gelassen zu. Fluktuationen wie die, welche Schumpeter in seine Wohnung hatte gelangen lassen, waren im neuen Gleichgewichtszustand unvermeidlich.
    Das Gespenst erklärte sich: »Ich habe eine Weile gebraucht, um herauszubekommen, was hier geschieht. Es war nicht leicht, in Erfahrung zu bringen, worum es sich bei diesem Monogenis-Projekt eigentlich handelt.«
    »Monogenis«, sagte Holbach gedehnt, »griechisch, ’ne? Hat der Chef der Geisteswissenschaften mir erklärt. Ich hab’s nicht studiert, hab’ kein Graecum – es bedeutet: der – oder das –Einziggezeugte. Das Deutschland, in dem wir jetzt wohnen, hat sich selbst aus sich selbst hervorgebracht und abgedichtet gegen ... na, alles andere.«
    »Ich selbst habe, hrrmpf«, der Geist räusperte sich, »das erste Mal von diesem ... Projekt erfahren, als es bereits so weit fortgeschritten war, daß sich nichts mehr dagegen hätte ausrichten lassen. Ich hielt mich beim Bundeskanzler auf, dem ich geschenkt worden war, und hörte ihn mit seinem Finanzminister darüber sprechen. Dann ging alles sehr rasch.«
    »Ja«, Holbach nickte, »das war unter anderem der Witz, daß alles, wenn es erst mal angefangen hat, auch wirklich ganz schnell gehen soll. Monatelange Vorbereitungen: Die Meinungsmacher mußte man konditionieren, neue Assoziationsketten in ihre Träume pflanzen, suggestive Satzketten in den Medien verankern ... vielen Zeitungen ... Websites ...«
    Schumpeters Gespenst grollte: »Das ist doch alles geradezu unsittlich. Sie reden, als ginge es um eine Bakterienkolonie im Labor. Ich sah, wie der Kanzler von Vampirkatzen zerfleischt wurde und sich wieder zusammengesetzt hat, als wäre er ein Puzzlespiel. Jetzt zieht er um die Häuser,

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