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Deutschland macht dicht (German Edition)

Deutschland macht dicht (German Edition)

Titel: Deutschland macht dicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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konnte sich nicht entscheiden. Vielleicht: Sackschleife?) und auf neue Nebenpfade. Obwohl der Käse auf Nachfrage nicht zu wissen behauptete, wie die Wege zusammenhingen, war sein stures Stapfen just die Technik, die Hilde und Professor Kilian gestern gefehlt hatte.
    »Wollen wir einen Augenblick rasten? Darf ich etwas essen?« fragte Hilde schließlich. Man war vor einem Sexshop angekommen, den die Gezeiten der Unbegreiflichkeit von Düsseldorf her in den hiesigen Straßenplan hereingefaltet hatten.

    »Schweig’, Unwürdige!« befahl zornig der Kamikäse. Erneut stieß er eine Stange Knallkraft aus, direkt ins Fenster des Ladens. Dann hob er beide Spindelärmchen in die Höhe und schrie: »Jenen, die wünschen, daß Unzucht unter den Gläubigen sich verbreite, wird hier und im Jenseits schmerzliche Strafe!«
    Hilde Pinguin ging hinter einemMüllcontainer in Deckung. Sie wußte, was jetzt kam: Der Käse warf sich zu Boden, als wolle er beten, dann krachte es. Plastik, Glas, Fetzen von Dessous prasselten auf den Asphalt.
    Zu Beginn der Reise hatte sich Hilde Pinguin noch Hoffnungen gemacht, der Explosivstoffvorrat des Käses werde irgendwann zur Neige gehen. Inzwischen war ihr klar geworden, daß es in Munitionsfragen hier sowenig mit rechten Dingen zuging wie bei den meisten Neuigkeiten, die ihr seid gestern nachmittag begegnet waren.
    »Steh’ auf!« gebot das Geschöpf der Kauernden. »Wir sind dem Bahnhof nicht mehr fern. Die Zwingburg des Großen Satans erreichen wir von dort mit Leichtigkeit!«
    Hilde stand auf, schüttelte sich Splitter aus den Haaren und überlegte: Anfangs, wenn der Käse seine Höllen- und Strafpredigten zum Thema »Großer Satan« hielt, war sie davon ausgegangen, es handle sich um ein Hirngespinst oder eine politische Metapher nach Art gewöhnlicher Fanatiker, die damit, soweit sie wußte, die Vereinigten Staaten von Amerika meinten.
    Inzwischen zog sie – ungern, aber ernsthaft – in Betracht, daß bei all der Abartigkeit und Bizarrerie ringsum vielleicht auch ein Großer Satan leibhaftig irgendwo in der Nähe saß und vor Verworfenheit dampfte.
    Von solcherlei Sorgen gezwickt, überwand sie, dem Käse folgend, einen mitten auf der Straße zwischen Hotels und Bankgebäuden eingekeilten grünen Hügel samt einer darauf stehenden Mauer des Hechinger Hohenzollernschlosses und stand danach vor dem Frankfurter Hauptbahnhof.
    Der heilige Krieger führte die Millionärin die stillstehende Rolltreppe hinunter auf die erste Kellerebene.
    »Oh, ausgezeichnet, hier gibt es doch sicher Lebensmittel, die ich ...« Er wies sie mit einemZischen zurecht, hob das rechte Händchen und sagte herrisch: »Schweig’! Fressen kannst du später, Sau des Teufels! Da vorn – Feindkontakt. Folge mir. Wir verstecken uns. Dort entlang, rechts!«
    Feinde gleich welcher Art konnte sie nicht erkennen, fügte sich aber – mit dem Gedanken, daß der Käse entweder ein feineres Sensorium besaß als sie selbst oder aber Dinge sah, die gar nicht da waren. In beiden Fällen empfahl es sich nicht, ihm zu widersprechen.
    Das Versteck, in das er sie scheuchte, war eine Automatenspielhalle mit weitgehend zerstörter Neon-Deckenbeleuchtung. Der Käse wies die Millionärin an, sich unter einem Flipperautomaten zusammenzufalten. Sie gehorchte. Dann hopste er, agil und kräftig, selbst auf die Glasplatte des Geräts und spähte in die Richtung, in der er seine Gegenspieler ausgemacht hatte.
    Hilde Pinguin versuchte, ihren Hals so hinzudrehen, daß sie durch die gezackte Scherbenöffnung im Fenster des Spielcenters einen Blick nach draußen werfen konnte. Es ging nicht. Deshalb legte sie sich rücklings auf den Boden und schaute zu dem Käse hoch, um an dessen Gestik und rudimentärer Mimik – sie erkannte jetzt, nach mehreren gemeinsam verbrachten Stunden, nicht nur Augen und Mund, sondern auch eine Art Gesichtsausdruck – abzulesen, was er beobachtete.
    Wie Irre pflegen, interessierte sich der Kamikäse weit mehr für die Vorgänge in seinem eigenen defekten Verstand als für die in der Welt, weshalb er seinen Hang zum Selbstgespräch auch in Gesellschaft nicht bezähmen konnte: »Sieh’ an, so versucht er’s. Ja, das ist recht – er hat eben nicht meine Mittel.«
    »Wer? Was?« bat Hilde Pinguin um Orientierung.
    »Mandelbaum, der verfluchte Zionist«, grunzte der Kamikäse.
    Hilde Pinguin verstand kein Wort.
    Der Kamikäse sah einer Gruppe von drei Menschen und einem Stoffhasen dabei zu, wie sie in der

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