Deutschland macht dicht (German Edition)
denkenden Geschöpfs war, mit dem der homo sapiens von da an die angestammte Raumzeit würde teilen müssen. Zwar hatten Wissenschaftler, die dem Forschungsprogramm der sogenannten »Künstlichen Intelligenz« viel Zeit, Arbeit und Hirnschmalz opferten, sich lange schon wilden Hoffnungen hingegeben, ihre Erfindungen mochten eines Tages das Denken lernen.
Was ihnen dabei aber nicht hinreichend gegenwärtig gewesen war, läßt sich auf die Formel bringen, daß Intelligenz notwendig Eigeninteresse voraussetzt: Absichten – selbst der Wunsch, von Absichten abzusehen, ist, wenn er wirklich verfolgt wird, eine Absicht.
Dem Geld, als Kapital, waren Absichten gegeben. Es wollte etwas, nämlich: sich reproduzieren. Dazu nutzte es Märkte, den Trading Floor, die menschlichen Volkswirtschaften, sogar die mathematischen Modelle, die seine Kreisläufe beschreiben sollten. Spekulierende Agenten – die Vorfahren der späteren Aktuatoren – versuchten, Modelle dieser Selbstvermehrung zu instrumentalisieren, um Reichtümer zu erlangen.
Das machte alle derartigen Modelle von Augenblick zu Augenblick immer wieder sprunghaft obsolet, da sie auf diese Weise selbst in die Reproduktionsarbeit des Geldes hineingezogenwurden, von der man sie ursprünglich hatte ableiten wollen. Der so begonnene Prozeß steter Selbstkorrektur wurde die erste, innerste Schicht des Geldbewußtseins: Reflexion.
Bald lernte das Geld zu beobachten, was die Menschen trieben, ganz so, wie die Menschen zuvor beobachtet hatten, was es trieb.
Kurze Zeit später hatte es sich seinen ersten eigenen Reim aufs Tun und Lassen der Menschen gemacht. Sie waren nicht schwer zu verstehen. Es wollte sich einmischen. Es suchte Familienanschluß. Deshalb zeugte es mit einer menschlichen Frau eine Tochter, als »zukünftiges Gefäß« seiner »Gnade« (das Geld konnte sich geschwollen ausdrücken, wo das nötig war – es hatte von Leitartikeln gelernt).
Als nun schließlich ein paar Deutsche ihr Haus nach außen hin verschließen wollten, um in aller Ruhe Filter einzuziehen, die erwünschte Menschen einlassen und unerwünschte ausscheiden würden, brachte dieses Vorhaben das Geld auf Ideen. War dieses neue Haus nicht etwas, das man der Tochter schenken konnte?
Es brütete diese Gedanken in großer Ruhe aus.
Dann handelte es – schnell, entschieden, wirksam.
Mit Widerstand allerdings hatte es nicht gerechnet.
Zu lange schon war ihm keiner begegnet.
26.
Grenzüberschreitung
»Ich geb’s auf«, sagte Bernd Vollfenster zu den Versprengten. Man lagerte im Foyer eines aufgegebenen McDonald’s unweit der ehemaligen Hauptwache. Rosalies Vater seufzte: »Meine Karten zeigen mir den Weg nicht.«
»Was wollen Sie überhaupt machen? Selbst wenn Sie zum Geld finden?« fragte die ehemalige taube Nuß, die wir, damit ihr persönlicher Fortschritt gewürdigt sei, fortan Exnuß nennen wollen.
»Keine ganz unberechtigte Frage, Herr Vollfenster«, sagte der Kommunist.
»Was können Sie dem Geld vorwerfen? Es macht, was Sie selbst zugelassen haben: Es schließt das Land zu«, sagte der ehemalige arme Teufel, den wir, damit sein persönlicher Fortschritt gewürdigt sei, fortan Exteufel nennen wollen.
»So, wie es jetzt gekommen ist, wollte das niemand. Ich bestimmt nicht!« wehrte sich Bernd Vollfenster und wippte dabei so erregt vor und zurück, daß Ohne Titel bebte.
Das Kunstwerk fand es unter seiner Würde, sich dazu zu äußern. Der ehemals Ausgestoßene, den wir, damit sein persönlicher Fortschritt gewürdigt sei, fortan den Exausgestoßenen nennen wollen, zog ein Spöttergesicht: »Wollen Sie das Geld anbetteln, daß es alles wieder einrichtet, wie’s früher war?«
»Ich weiß gar nicht«, sagte Vollfenster und schüttelte den Kopf dazu, »warum es sich überhaupt eingemischt hat, das blöde Geld. Wir wären schon zurechtgekommen.«
»Es hätte alles ein bißchen kommoder zugehen können, höre ich das richtig heraus?«, der Kommunist strich sich den Bart. »Na ja«, sagte Bernd Vollfenster, »ein paar abfedernde Vorkehrungen, wenn schon Monogenis, hätten nicht geschadet.«
»Damit die Erschütterung nicht zuviel zerschlägt? Damit die richtigen Leute die Kontrolle behalten?«, der Kommunist war nicht überzeugt.
»Schön«, sagte der Kommunist, »dann halten Sie sich jetzt besser fest auf Ihrem Kunstwerk«, man hörte Ohne Titel leise schnauben, das besitzanzeigende Fürwort in dem Satz hielt es für grundverkehrt, »denn was ich Ihnen zu sagen habe, wird Sie
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