Deutschland schafft sich ab - Wie wir unser Land aufs Spiel setzen
Arbeitsgelegenheiten zu organisieren. Dabei kommt es nicht in erster Linie auf den produktiven Output dieser Arbeitsgelegenheiten an, sondern auf das den Transferempfängern
abgeforderte Anforderungsprofil: Wer gar nicht oder unregelmäßig erscheint, wer nicht pünktlich ist, wer eine zumutbare Leistung nicht erbringt, der fällt aus dem Transferbezug heraus. Insbesondere bei jugendlichen und jüngeren Beziehern von Transferleistungen wird dies Wunder wirken. Auf jeden Fall muss vermieden werden, dass sich jemand unbeaufsichtigt und unbemerkt über Monate und Jahre hinweg mehr und mehr von den Sozialisationsbedingungen des realen Lebens entfernt. Solche Transferkarrieren müssen schwieriger werden und an Zahl abnehmen. Ein-Euro-Jobs sollte es nicht mehr geben. Das Entgelt für die Arbeitsleistung muss die Grundsicherung selber sein und die Konsequenz von Nicht-Arbeit der Leistungsentzug.
In die den Transferempfängern abgeforderte Arbeitsleistung können alle Maßnahmen integriert werden, die deren Marktfähigkeit erhöhen, auch entsprechende Maßnahmen zum Abbau von Wissens- und Qualifikationsmängeln. Dagegen sollten Fortbildung und Umschulung nicht mehr im Mittelpunkt der Ertüchtigungsbemühungen für Empfänger von Grundsicherung stehen. Alle Untersuchungen weisen nämlich darauf hin, dass solche Maßnahmen bei dieser Zielgruppe keine belegbaren nennenswerten Beschäftigungseffekte auslösen. Hier gilt leider das alte Sprichwort: »Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.« Grundlagen, die bis zum Abschluss der Berufsausbildung nicht gelegt wurden, können später nicht mehr erworben werden. Das heißt: Bildung und Ausbildung müssen so strukturiert sein, dass qualifikationsbedingte Arbeitsmarktdefizite gar nicht erst auftreten.
8 Demografie und Bevölkerungspolitik
Mehr Kinder von den Klugen, bevor es zu spät ist
»Frommt’s den Schleier aufzuheben,
Wo das nahe Schrecknis droht?
Nur der Irrtum ist das Leben,
Und das Wissen ist der Tod...«
FRIEDRICH SCHILLER, Kassandra
Das generative Verhalten einer Gesellschaft wird grundsätzlich bestimmt von ihrem Entwicklungsstand und Modernisierungsgrad. Mit der Industrialisierung setzt in allen Staaten beziehungsweise Volkswirtschaften die gleiche Entwicklung ein: Sinkende Kindersterblichkeit und steigende Lebenserwartung bewirken zunächst einen starken Anstieg der Bevölkerung, der nach einigen Jahrzehnten infolge geringerer Geburtenraten abgebremst wird. Eine stabile oder nur noch langsam steigende Lebenserwartung und eine stabile Nettoreproduktionsrate münden dann in einen langfristigen Entwicklungspfad, für den der Anstieg des Durchschnittsalters und - bei einer Nettoreproduktionsrate unterI - die permanente Schrumpfung der Bevölkerungszahl typische Merkmale sind. 1
Unterschiedliche Staaten scheinen sich trotz vergleichbarer Lebensverhältnisse dennoch auf unterschiedliche Nettoreproduktionsraten einzupendeln. Es ist eine Diskussion darüber im Gange, ob die Zeit der besonders niedrigen Nettoreproduktionsraten von 0,65 und weniger vorbei ist oder ob es eine quasi natürliche Untergrenze des Fruchtbarkeitsrückgangs gibt. 2 Das mag dahingestellt bleiben; Schwankungen hat es auch in der Vergangenheit immer wieder gegeben. Für Deutschland jedenfalls zeigt die nähere Analyse, dass ein Wiederanstieg der Geburtenrate nicht erkennbar ist. 3
Das Muster von zunächst fallenden Sterblichkeitsraten und erst später sinkenden Geburtenzahlen vollzieht sich überall auf der
Welt. Wegen des zeitlichen Vorsprungs von Europa und Nordamerika in der Industrialisierung stieg zuerst deren Bevölkerung stark, ist aber jetzt - sieht man von Migrationseffekten ab - in eine Phase der Stagnation beziehungsweise des Sinkens der Bevölkerungszahlen eingetreten.
Die UNO erstellt seit Mitte der fünfziger Jahre regelmäßig Prognosen zur Entwicklung der Weltbevölkerung und hat dabei in der Summe erstaunlich richtig gelegen. 4 Für die Entwicklung der Bevölkerung ist neben der Änderung der Lebenserwartung der entscheidende Faktor die Entwicklung der Zahl der Töchter pro Frau, die sogenannte Nettoreproduktionsrate, denn nur Frauen können ja Kinder gebären. Wenn dieser Wert auf eins zusteuert, ist die Bevölkerungszahl einer Gesellschaft langfristig stationär, auch wenn sie wegen des hohen Anteils junger Menschen zunächst noch weiter wächst.
Anfang der fünfziger Jahre wurden im Durchschnitt der Weltbevölkerung pro Frau 1,66 Mädchen geboren, also war jede
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