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Deutschland schafft sich ab - Wie wir unser Land aufs Spiel setzen

Titel: Deutschland schafft sich ab - Wie wir unser Land aufs Spiel setzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Sarrazin
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bringen, ein Bewohner des westlichen Asiens durchschnittlich auf 36 Jahre, so alt, wie der durchschnittliche Deutsche 1950 war. 2050 werden 27,4 Prozent der Europäer und 32,5 Prozent der Deutschen 65 Jahre oder älter sein. In Afrika wird diese Quote bei 7,1 und im westlichen Asien bei 13,4 Prozent liegen.
    Die von mir genannten Prognosezahlen entstammen der sogenannten mittleren Variante der Bevölkerungsprognose der UNO. Sie unterstellen für Europa eine jährliche Einwanderung von 900 000 und für Deutschland eine von 110 000 Menschen. Ferner wird angenommen, dass die Nettoreproduktionsrate wieder deutlich steigt: von 0,71 auf 0,87 im europäischen Durchschnitt und in Deutschland von 0,64 auf 0,82. Der Wiederanstieg der Nettoreproduktionsrate ist sicherlich wünschenswert, aber nach 40 Jahren stabiler Abwärtsentwicklung wenig wahrscheinlich. Auch der in der UNO-Prognose unterstellte starke Rückgang der Nettoreproduktionsrate in Afrika und den am wenigsten entwickelten Ländern ist als sehr optimistisch zu bewerten. Es könnte durchaus sein, dass die Bevölkerungszahl in der entwickelten Welt stärker abnimmt und in den Entwicklungsländern stärker wächst, als von der UNO unterstellt.

Demografische Trends in den entwickelten Industriegesellschaften (G 7)
    In den Industriestaaten ist im Allgemeinen die Nettoreproduktionsrate auf oder unter das Bestanderhaltungsniveau gesunken. In einer Reihe von Industriestaaten ist aber ein gewisser Wiederanstieg zu verzeichnen. So lässt die zusammengefasste Geburtenziffer beziehungsweise die Nettoreproduktionsrate in Frankreich, Großbritannien, Spanien, Italien, den Benelux-Staaten und den skandinavischen
Ländern in den letzten 10 bis 15 Jahren einen Anstieg erwarten. Für Deutschland, Österreich und die Schweiz gilt das allerdings nicht. 6 Zudem gibt es erhebliche Niveauunterschiede zwischen ansonsten vergleichbaren Industrieländern. In Tabelle 8.2 sind Eckwerte für die Mitglieder der G 7 gegenübergestellt, weil sie die größten und bekanntesten unter den traditionellen Industrieländern sind.
    Deutschland, Italien und Japan sind unter den G 7-Ländern jene mit den niedrigsten Nettoreproduktionsraten zwischen 0,61 und 0,66 Prozent. Das bedeutet: Jede Generation ist um 39 bis 35 Prozent kleiner als die vorherige. Wenn die Nettoreproduktionsraten auf diesem Niveau bleiben, ist nach drei Generationen die Generationsstärke auf 26 Prozent des Ausgangsbestandes geschrumpft, in fünf Generationen auf zehn Prozent.
    Ganz anders ist es in den USA. Dort liegt die Nettoreproduktionsrate bei 1,01, und damit gibt es aufgrund der natürlichen Bevölkerungsbewegung keine Schrumpfung. Die französische Nettoreproduktionsrate von 0,91 wiederum bedeutet, dass die natürliche Bevölkerungsbewegung zwar Schrumpfung bewirkt, aber die dritte Generation liegt immerhin noch bei 75 Prozent, die fünfte bei 62 Prozent der Ausgangsstärke. Im Vergleich zu den deutschen Zahlen wird damit aus dem Absturz ein Sinkflug.
    Die bereits eingetretenen Unterschiede zeigen sich im Medianalter und in der Altenquote: Der durchschnittliche Deutsche, Italiener oder Japaner ist heute acht Jahre älter als der durchschnittliche Amerikaner und immer noch vier Jahre älter als ein Franzose, Engländer oder Kanadier. In Deutschland sind bereits 20,5 Prozent aller Menschen 65 Jahre und älter, in Japan sogar 22,6 Prozent, in den USA dagegen nur 13 und in Frankreich nur 17 Prozent. 2050 werden 33 Prozent der deutschen und italienischen sowie 38 Prozent der japanischen Bevölkerung 65 Jahre und älter sein, aber nur 22 Prozent der amerikanischen und 23 Prozent der britischen.
    Betrachtet man die Unterschiede, kommt Skepsis auf, ob diese wirklich vorrangig durch verschiedene Grade der sozialstaatlichen Absicherung, durch das Fehlen von Betreuungsangeboten und anderem mehr erklärt werden können, denn dann müssten die USA ganz schlecht dastehen. Klar ist jedenfalls, dass die niedrige Nettoreproduktionsrate in Deutschland sich keineswegs zwingend aus dem hohen Entwicklungsstand unserer Industriegesellschaft ergibt, denn dann müssten die USA mit einem um 35 Prozent höheren Sozialprodukt pro Kopf, längerer Arbeitzeit, höherer Erwerbsbeteiligung und weniger Urlaub noch weniger Kinder haben als wir.

    Tabelle 8.2 . 2 Klassische Industrieländer im demografischen Vergleich

    Quelle: Population Division of the Department of Economic and Social Affairs of the United Nations Secretariat: World Population Prospects: The

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