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Deutschlandflug

Titel: Deutschlandflug Kostenlos Bücher Online Lesen
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Mitteleuropa jetzt in einer Mischung aus Rot-, Blau- und Purpurtönen. Über Asien strahlten die Sterne. Im Norden der beiden Erdteile begann das Schemenspiel des Nordlichts, im Süden entluden sich die Gewitter des Monsuns und der subtropischen Fronten in grellen Blitzkaskaden. Im Westen ging die Sonne in blutroter Dämmerung unter, auf der gegenüberliegenden Erdseite auf. Dort warf sie einen ähnlichen Erdschatten gegen den Westhimmel. Über der Antarktis flackerte das Südpolarlicht.
    Mitten in die Stille hinein zitierte Mahlberg:
    »Allein wie herrlich, diesem Sturm ersprießend,
Wölbt sich des bunten Bogens Wechseldauer,
Bald rein gezeichnet, bald in Luft zerfließend,
Umher verbreitend duftig kühle Schauer.
Der spiegelt ab das menschliche Bestreben.
Ihm sinne nach, und du begreifst genauer:
Am farbigen Abglanz haben wir das Leben.«
    »Die ›Selcal‹- Anlage klingelt; und Sie merken es nicht!« unterbrach Bloch lapidar.
    Thomas Gundolf senkte sein Fernglas.
    Zum erstenmal spürte er, wie sich ein stählerner Ring aus Beklemmung und Angst um seinen Brustkorb legte. Zum erstenmal nahm die abstrakte ›Telex‹-Floskel ›AVI 2000 hat Bombenwarnung‹ Form und Farbe an. Zum erstenmal sah er die Gefährdung seiner Frau optisch vor sich.
    Wie immer verursachte ihm der Anblick von Gewalt Magenschmerzen. Er hatte das Spezialkommando des Innenministers vor Jahren einmal bei einer Demonstration auf dem alten Flughafen in Aktion gesehen. Seine Männer schossen schneller aus der Hüfte als Cowboys. Sie konnten Barrikaden mit Baggerschaufelpanzerwagen abräumen und hatten das demonstrativ aufgebaute Wrack einer alten ›Caravelle‹ wie ein Streichholz geknickt. Neben dem Superangebot an Waffentechnik verfügten sie über ihren Körper wie ein Hochleistungssportler. Sie beherrschten Handkantenschlag, Schulterwurf und das ganze Arsenal des Judotrainings nicht weniger als ihre panzerbrechenden Waffen.
    Bei der allerersten Vorstellung am 14. November 1973 hatte der damalige Düsseldorfer Innenminister Willi Weyer die Hoffnung ausgesprochen, der Ernstfall möge nie eintreten. Der Staat müsse jedoch gegen organisierte Verbrechen, gegen politischen Terror, gegen Geiselnahme und Hijacking gerüstet sein.
    Nordrhein-Westfalen hatte sich als erstes Bundesland eine Einheit von 96 Polizeibeamten geschaffen, die in Einzelkommandos von je acht Spezialisten abgerufen werden konnten.
    Eine solche Achtmanneinheit bereitete sich jetzt auf den Kampf mit den Terroristen vor.
    Während der Demonstration hatte er die Hauptwaffe der Truppe kennengelernt: einen von Ford und Rheinstahl entwickelten Panzerwagen mit einem Aktionsradius von 700 km. Thomas fragte sich verzweifelt, weshalb für das Zerschlagen eines Studentenprotestes ein Panzerwagen nötig war, der durch ganz Deutschland mit einer einzigen Tankfüllung rasen konnte; und ihm drängte sich das Bild von den Kanonen auf, mit denen auf Spatzen geschossen wurde.
    Jetzt stand eine verbesserte Bauserie dieses Fahrzeugs bereit, um notfalls einzugreifen. Es hat Allradantrieb und Panzerbleche, die weder von leichten Gewehrgranaten noch von Molotowcocktails durchbohrt werden konnten. Für den Funksprechverkehr verfügte die Besatzung über störungssichere Niederfrequenzgeräte. Aus dem Kommandoturm ragte ein auf Kugellagern montiertes Schnellfeuergewehr. Eine spezielle Stahlfelgenkonstruktion sicherte das Fahrzeug gegen Plattfüße durch Beschuß.
    Zur weiteren Ausrüstung gehörten Splitterdecken zum Bombenschutz, meterlange spitze Nagelgurte als Straßensperre für flüchtende Täter, tragbare Schutzschilde, kugelsichere Westen, Spezialleitern für Hindernisse und elektronische Notizbücher, wie sie auch in einer DC-10 als Dateneingabe für den Flugschreiber verwendet wurden, der bei einem Unfall Aufschluß über die Ursachen geben sollte.
    Thomas biß die Zähne aufeinander.
    Schon vor mehreren Jahren hatte er in Zusammenarbeit mit einer Ehefrauenaktion seiner Piloten ein Schreiben an den damaligen Bundesminister des Inneren, Genscher, geschickt, in dem die Besorgnis über Flugzeugentführungen und die Aktionslosigkeit der Regierung zum Ausdruck gebracht wurden. Statt Gegengewalt, statt bewaffneter Sicherheitsbeamter an Bord hatten sie Boykottmaßnahmen gegen alle Länder gefordert, die Entführern und Terroristen Schutz gewährten. Der Minister hatte es nicht einmal für nötig befunden, das Schreiben zu beantworten. Erst ein Jahr später, bei einer Erinnerung an das absolute

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