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Deutschlandflug

Titel: Deutschlandflug Kostenlos Bücher Online Lesen
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Wenn sich beide gegenseitig zerstört hatten, gab es keine Überlebenden mehr.
    Mahlberg leckte sich die trockenen, aufgeplatzten Lippen. Er schrak auf wie aus einem bösen Traum. Noch immer flog er. Bloch hatte eine kurze Bemerkung gemacht:
    »Wir sitzen hier verdammt gottergeben herum! Aber Brinkmann ist nun mal der einzig mobile Teil unserer Crew!«
    »Können wir denn weiter nichts, absolut nichts tun?«
    Aber Bloch antwortete nicht einmal. Eine unüberwindliche Lähmung schien die beiden Piloten überfallen zu haben. Nach dem Klimax des Polizeiüberfalls schlaffte auch Bloch ab. Er versuchte, sich auf die Banalitäten des allzu vertrauten Cockpits zu konzentrieren, Details zu fixieren:
    ›Maximum Speed for slat retraction 260 KTS‹.
    Und über das ›Sp‹ von ›Speed‹ kroch die Mücke, die sie schon so lange auf Gedeih und Verderb begleitete. Stammte sie aus den Sümpfen Westafrikas? Dort würde sie sich zu Hause fühlen – an der Mündung des Senegal bei Saint Louis, nördlich von Dakar. Und obwohl Bloch moskitoverseuchte Sümpfe wie die Pest haßte: Jetzt säße er lieber in tropischer Hitze unter Fieberbäumen als hinter Fahrtmesser, Machmeter, Außentemperaturanzeige, Radiokompaß.
    An Bord moderner Flugzeuge waren die wichtigsten Instrumente zwei Geräte, die in konzentrierter Form das Konglomerat eines ganzen Dutzends von Fluginformationen lieferten. Die beiden Geräte hießen HSI und ADI, Namen, die keinem Weltkrieg-II-Flieger geläufig waren. Aus ihnen konnte man nicht nur künstlichen Horizont, Anstellwinkel, Kurs, Ablage vom Kurs, Geschwindigkeit über Grund, Entfernung vom nächsten Funkfeuer ersehen, sondern auch derartige Interna wie Ablage von einer vorgewählten Geschwindigkeit, einem vorgewählten Kurs, Ablage vom Gleitpfad und Kurs eines Instrumentenlandesystems. Im Falle eines unerwarteten Durchstartens kurz vor dem Aufsetzen zeigte ADI durch Knopfdruck sofort den korrekten Anstellwinkel, mit dem man von der gefährlichen Bodennähe wegzog.
    Bloch, der der Versuchung zur kismethaften Passivität genauso unterlag wie sein Kopilot, behauptete durch Kritikdrang und Aggressivität sein Ichbewußtsein, das in den Fluten zu versinken drohte. Zwei großartige Instrumente! Der technische Geist eines Jahrhunderts hatte darin seine Krönung gefunden! Soweit die technische Seite! Aber was hatten die Menschen daraus gemacht? Da war irgend so ein Eierkopf gekommen, der offensichtlich der Meinung war, ein Flugzeug flöge auch ohne Piloten. Der hatte das untere der beiden genialen Instrumente, deren Informationen schlechterdings lebenswichtig waren, genau dort plaziert, wo sie der Pilot nicht sehen konnte! Hinter der wuchtigen Steuersäule! Jeder Rufknopf für die Stewardeß, jede läppische Anzeige über die Spannung in der Steckdose für den elektrischen Rasierer waren rascher zu überblicken als dieses Instrument! Man mußte die akrobatischsten Rückgratverkrümmungen durchführen! In jenem Anflugstadium, das das kritische war!
    Es gab noch mehr Ärger: die zu engen Cockpits, in denen man nicht einmal eine Kaffeetasse sicher abstellen, nicht einmal eine lebenswichtige Anflugkarte an der richtigen Stelle aufhängen konnte. Cockpits, in denen die Flugsicherheit akut gefährdet wurde, wenn der Pilot versuchte, das ohnehin zu kleine Essenstablett auf den Schoß zu nehmen! War es denn wirklich nötig, daß ein in der Werbung stets hochdotierter Jumbokapitän auf einem Zehnstundenflug eine warme Mahlzeit zu sich nahm? Einem Zehnstundenflug, dem eine Vorbereitungs-, Frühstücks- und private Anfahrtszeit von oft fünf Stunden voranging, eine Nachbereitungszeit bis zum Hotelbett von weiteren fünf Stunden folgte?
    Jetzt hatte sich Bloch so richtig in Wut gedacht! Hatten seine Gedanken Beziehung zu seiner Lage? Unmittelbar! Die Schöpfungen moderner Wissenschaft mochten noch so genial sein – stets war irgend so ein kleinkarierter Schweinehund da, der alles kaputtmachte. Eine Bombe zu deponieren in dem großartigsten Verkehrsflugzeug der ›Avitour‹. Welch eine Sauerei!
    »Welch eine Sauerei!« sagte Bloch laut.
    Seine Wut hatte ihn aufgeschreckt. Er war wieder da, voll und ganz und mit dem Tatendrang, bis zum letzten Atemzug zu kämpfen …

31
    Rut rannte die verlassene Kastanienallee entlang. Ihre Schuhe klapperten auf das Asphaltpflaster. Die Laternen warfen ihren kaltblauen Neonschein in den Abend.
    Während der Mechaniker Misch mit seinem Aircraft Manuals dem Problem des Tages zu Leibe rückte,

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