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Deutschlandflug

Titel: Deutschlandflug Kostenlos Bücher Online Lesen
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Oder: Wie viele Menschen müssen noch sterben, ehe man unserem Polizeipräsidenten seine Wildwestnostalgie ausgetrieben hat?
    Sosehr in Jan Kaller die Kaskaden des Zorns ihre Wellen schlugen, so sehr bemächtigte sich Jasons eine lähmende Depression. Der Anblick der nackten Killergewalt hatte ihm Schauer über die Haut gejagt. Er fühlte sich matt, übel wie nach einem Trinkgelage und unendlich traurig.
    »Und wieder«, ließ er zwischen Kallers Haßtiraden einfließen, »wird man der informationssüchtigen Masse Steine statt Brot bieten: Bilder vom Massaker. Statements und Rechtfertigungen der Krisenstäbler. Dabei gibt es in diesem ganzen Komplex nur eine einzige wirkliche Informationsnotwendigkeit. Und gerade die wird dem informationssüchtigen Zuschauer, Zuhörer vorenthalten.«
    »Welche?«
    »Diese: Wie ist es dazu gekommen, daß ein junger Mensch voller Ideale in Untersuchungshaft gerät und dort Selbstmord begeht?«
    »Soll das dein nächster moralischer Auftrag an mich sein? Forschungsarbeiten über Kampinsky? Während die glückselig lächelnde deutsche Informanten-GmbH stolz über die Errungenschaften moderner Kommunikationstechnik den Lebenslauf sämtlicher Mitglieder des Krisenstabes, inklusive Festbankette und Händeschütteln, zur Kenntnis nimmt?«
    Querholz betrat das Zimmer. Er war in Gedanken und schrak auf. Offensichtlich hatte er beide völlig vergessen. Er sah lange auf den Kaschmirteppich, ehe er sprach.
    »Sie werden mir jetzt Versagen vorwerfen, Kaller! Ich sehe schon Ihre Schlagzeilen! Aber machen Sie es sich nicht allzu leicht? Sie hätten mal in meiner Lage sein sollen!«
    »Ich würde mich nur in die Lage eines Polizeipräsidenten begeben, wenn ich fruchtbare Ideen hätte!«
    »Phrasen! Phrasen! Irgendeiner muß den Job doch tun! Wenn nicht ich, dann andere!«
    »Damit haben sich schon die KZ-Ärzte im Dritten Reich saubergewaschen!« unterbrach Jason. Der Präsident wiederholte eindringlich:
    »Phrasen! Lassen Sie einen Mann aus dem siebenten Stock ins Wasser springen. Und kritisieren Sie dann, daß er flach aufschlägt! In der Lage war ich! Ich mußte springen!«
    »Warten Sie doch mit Ihrer Verteidigung bis morgen! Über Nacht werden Sie publicityträchtigere Statements formulieren; ich zweifle nicht daran!« sagte Kaller. »Inzwischen kreisen unsere › Steppenadler‹ -Leute noch immer. Astronauten des Todes.«
    »Hör auf. Jan!« bat Jason still. »Wir können nichts ändern! Ich kapituliere! Der Kampf um den Kühkopf ist verloren. Es war eines der letzten kleinen Paradiese Deutschlands. Aber was bedeutet ein Paradies für Menschen, die lieber in der Hölle leben? Und sich dann bitter über ihr Schicksal beklagen wollen? Ich kapituliere, Jan! Endgültig!«
    »Ich nicht!« sagte Kaller. Und zum Präsidenten gewandt: »Ich mache Sie fertig! Ich schwöre es Ihnen: Ich mache Sie fertig! Und die ›Steppenadler‹, aber das wird Sie kaum noch interessieren, kreist noch immer!«
    Thomas war der erste, der sich aus der Lähmung, die die FDZ befallen hatte, löste. Später äußerte Ulla über ihn, er sei nach der mißlungenen Polizeiaktion wie ein Stehaufmännchen gewesen. Oder wie die russische Puppe-in-der-Puppe: Immer wenn man glaubte, jetzt habe es ihn geschafft, sei ein neuer Gundolf zum Vorschein gekommen.
    »Und jetzt an die Arbeit!« sagte Thomas. »Uns bleiben noch knapp zweieinhalb Stunden, dann muß sie runter, die ›Steppenadler‹. Holen Sie Misch! Der letzte Hoffnungsschimmer!«
    Alle sahen ihn erwartungsvoll an. Auf Ullas Pult kam eine gelbe Ruflampe an.
    »Ja?« Sie drückte die Sprechtaste.
    »Misch ist auf dem Weg zu Ihnen! Er hat seine Gesammelten Werke dabei!«
    »Danke!« An Thomas gewandt: »Also: unser Hoffnungsstrahl?«
    »Die Terroristen haben ein kompliziertes technisches Problem zu lösen gehabt, als sie die Bombe deponierten. Diese Druckangelegenheit ist, im Zusammenhang mit der barometrischen Auslösung, eine Sache, die interne Kenntnis braucht. Denkbar, daß dabei gravierende Fehler gemacht worden sind!«
    »Wie bringt uns das weiter?«
    Thomas sah sich verlegen um. »Eigentlich gar nicht. Aber es besteht doch eine winzige Hoffnung, daß durch diesen Fehler die Bombe überhaupt nich hochgeht …« Er schwieg und sah zu Boden. »Mehr fällt mir nun auch nicht mehr ein!«
    »Und die negative Seite dieses erhofften Fehlers?« fragte Ulla.
    »Liegt auf der Hand: Die Bombe kann in einer anderen Höhe losgehen. Oder sie wirkt eben doch durch einen Zeitzünder.

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