Deutschlandflug
kalt!«
Ulla brachte ihm eine ganze Schachtel und stellte sie auf der Tastatur des IBM-Rechners ab. Dann, in ihre Ecke zurückgehend, drückte sie ihm beide Daumen.
Quandt fragte:
»Was hat die Zweitausend für eine Ankunftszeit für Bermuda errechnet?«
»Achtzehn Uhr Greenwich.«
»Schöne Bescherung – das mit der Warnung!«
»Ja!« antwortete Gundolf.
Er sah förmlich die blauen Rauchwolken, die Quandt in sein Schweigen hinein paffte.
»Alles festlich gestimmt, ein Riesenhallo und Gaudi. Dann diese Schweinerei!«
»Ja!« sagte Gundolf.
»Sie haben die Warnung doch sofort durchgegeben?«
»Die erste oder zweite?«
»Ah, die zweite natürlich. Die erste war doch lächerlich!«
»Die erste habe ich auch durchgegeben. An die Polizei.«
»Sind Sie wahnsinnig, Gundolf? Das entscheide ich doch! Oder?«
»Ich war der festen Meinung, Sie hätten es entschieden. Aber als ich die erste Warnung meldete, stellte sich heraus: Sie hatten nicht!«
Ulla biß sich auf die Unterlippe.
»Sie können doch nicht einfach selbstherrlich …«
»Ihr Glück, daß ich selbstherrlich konnte! Jetzt ist die zweite Drohung da! Sie waren verpflichtet, den ersten Fall …«
»Ja, Sie haben recht …« Stille. »Okay, Gundolf. Also gut: Durch diese neue Drohung hätte die Polizei mich beim Verschweigen der ersten erwischt. Sie haben mich gerettet; man dankt!«
Kurzes Schweigen. »Die zweite Meldung ist also auch angekommen? Man sollte sie ernst nehmen …«
»Ich weiß …«
Gundolf schniefte schon wieder und versuchte, mit der freien Hand ein klemmendes Papiertaschentuch aus der Packung zu zerren; Ulla schoß zu Hilfe.
»Andererseits würde ein gelungener Eröffnungs-Bermuda-Flug unser Renommee raketenartig in die Stratosphäre steigen lassen.«
»Ohne Zweifel!«
»Nicht könnte ihm mehr schaden als ein plötzlicher Abbruch.«
»Das ist auch meine Meinung.«
»Ich sehe, wir verstehen uns!« Quandt schien die Entspannungspause zum Anstecken einer neuen Zigarre zu benutzen; man hörte, wie er aufatmete. »Fein, Gundolf!«
»Was beabsichtigen Sie also?«
Ulla zerknabberte nervös ihre Unterlippe und spielte mit ihren Fingern.
»Ich schlage vor: Sie halten engen Kontakt über Funk für weitere Informationen, und die Maschine fliegt weiter in Richtung Bermuda. Wo steckt sie überhaupt zur Zeit?«
»Sie wird in …« Er warf einen kurzen Blick auf die elektronische Uhr an der fensterlosen Querwand. »In zweiundzwanzig Minuten wird sie in Zürich landen.«
»Bitte?«
»Sie wird in zweiundzwanzig Minuten in Zürich landen.«
Stille in der Leitung. Die Stunde der Wahrheit. Gundolfs Sitzlehne brach nach unten weg.
»Jetzt«, kommentierte Ulla, »geht bei ihm ganz, ganz langsam das Licht aus.«
»Habe ich Sie recht verstanden? Die Zweitausend landet?«
»Es ist der sicherste Weg.«
»Der sicherste Weg wozu? Das fragt sich!« Jetzt begann der Direktor in Fahrt zu kommen, wie ein Gewitter, dessen Böen schlagartig losbrechen. »Das fragt sich, verdammt noch mal! Zum Ruin? Sie treffen selbstherrlich Entscheidungen! Ich, als der Mann im Schußfeld, erfahre davon rein zufällig! Meine Zweitausend in Zürich gelandet! Großartig! Wovon bin ich eigentlich umgeben?« Die Membrane vibrierte stark. »Von Besserwissern, die mich ruinieren wollen?«
Ulla warf Gundolf aus ihrer sicheren Ecke nervöse Blicke zu:
»Jetzt spielt er echt den wilden Mann!«
»Er lebt davon!« sagte Gundolf hinter zugehaltener Sprechmuschel. »Das gibt sich gleich! Er ist ein herzensguter Mensch – im Grunde genommen.«
Allermann bastelte inzwischen unkonzentriert an einer Rufanlage, deren Funktion noch keiner ganz begriffen hatte. Als Quandt mit seiner Schimpfkanonade fertig war, übernahm Gundolf wieder – in leidenschaftslosem Ton, als gäbe er seine Gemüsebestellung fürs Wochenende durch.
»In zwanzig Minuten wird die ›Steppenadler‹ am Boden sein. Bloch und ich haben uns für diesen raschen Schritt entschlossen, weil nämlich die Bombe in zwanzig oder fünfundzwanzig Minuten hochgehen könnte.«
»Woher wollen Sie das wissen? Haben Sie einen direkten Draht zum lieben Gott?«
»Woher wissen Sie, daß sie nicht hochgeht? Haben Sie einen?«
Das war's dann. Quandt schmiß wütend auf, fast hörte man noch, wie der Hörer auf die Gabel knallte.
… Keine drei Minuten später war er wieder in der Leitung.
»Gundolf?«
»Ja?«
»Tut mir leid. Sie haben recht!«
»Okay!« sagte Gundolf.
8
Das Flugzeug schoß aus den Wolken
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