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Deutschlandflug

Titel: Deutschlandflug Kostenlos Bücher Online Lesen
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verborgen lag. Ich glaube: Verschiedene Namen drücken das gleiche aus. Für mich heißt der erste Gott Eros!«
    »Was hat er ans Licht gebracht?«
    »Oben einen Hohlraum – den Himmel. Unten lag das andere. Diesen Hohlraum, den hat man als Chaos bezeichnet! Als den Raum, der gähnt! Das war alles: Er gähnte! Heute hat Chaos eine völlig andere Bedeutung: als unkontrollierbares Durcheinander!«
    »Das Ungeformte. Der Wirrwarr laut Duden!«
    »Siehst du! Aber erst nach der Einführung der Lehre von den vier Elementen hat sich das Chaos gewandelt!« Er sah Dollinger fast flehend an. »Ich weiß, du kennst den Kühkopf, um den ich fast zehn Jahre lang gekämpft habe. Aber heute, am Tag meiner endgültigen Niederlage, möchte ich da gern noch mal mit einem guten Freund spazierengehen, ehe morgen die Jumbos darüber hinwegdonnern! Du ja auch – nicht?«
    Sie stiegen in Jasons alten Volkswagen und fuhren hinaus an die Altrheinschlinge gegenüber von Nierstein. Sie umfuhren den neuen Flughafen nach Süden und stießen bei Stockstadt auf die B 44. Ein verrosteter amerikanischer Straßenkreuzer mit abgefahrenen Reifen und verdrecktem Nummernschild überholte sie. Jason nahm keine Notiz von dem Wagen. Er schielte schräg zum Himmel, an dem ein Schwarzmilanpaar kreiste. Dollinger nahm flüchtig eine Gruppe Jugendlicher wahr – zwei vorn, drei im Fond.
    Später fragte er sich, wie der nächste Tag für Jason wohl verlaufen wäre, wenn er nicht hier, zwischen dem Langen See und Kühkopf, auf diesen Wagen aufmerksam geworden wäre.
    Jason zeigte, auch wenn er im Auto war, Interesse für die Natur. Fuhr er über die Autobahn von Stuttgart nach Hamburg, konnte er an der Elbbrücke genau angeben, wie viele Mäusebussarde, Milane, Turm- und Baumfalken, Weihen und Sperber er beobachtet hatte. Er bedauerte aus tiefstem Herzen all jene wilden Lichthupenblinker, die es trotz fortgeschrittenen Alters noch immer nicht fertiggebracht hatten, sich ihre Zeit so einzuteilen, daß es ihnen auf eine halbe Stunde nicht ankam.
    Die deutschen Autobahnen waren eines von Jasons zahllosen Lieblingsthemen. Nirgendwo sah man so viele Greifvögel wie in ihrer Nähe. Sie erfüllten dort die gleiche Funktion wie die Geier Indiens: In den Nacht- und Morgenstunden wurden unzählige Igel, Hasen, Kaninchen, Mäuse und wildernde Katzen überfahren, die für die kreisenden Raubvögel ein Festessen waren.
    Als Jason sich der Knoblochsaue näherte, erlebte er dort jene Situation, die er bereits auf seiner Public-RelationsWanderung vor wenigen Tagen ähnlich wahrgenommen hatte. Er reagierte unerklärlich: Er nahm sie kaum zur Kenntnis. Hatte ihn die geradezu surrealistische Wiederholung in einen Zustand versetzt, der jegliche Logik in der Reaktion ausschloß? Erst später, als alles vorüber war, dachte er über seine seltsame Nichtbeachtung offenkundiger Tatsachen intensiv nach.
    Vor ihnen lag das abgezäunte Gebäude voller verfallener Munitionsbunker und Splitterboxen, das einmal der amerikanischen Militärbehörde gehört hatte. Gerüchteweise hatte sie hier bakteriologische Waffen und Gasgranaten gelagert. Bösartige Zungen behaupteten, die Behälter seien einfach vergessen worden und ihr Inhalt in den Boden versickert – was sich nie nachweisen ließ.
    Jason verfolgte mit den Blicken einen Schwarm von Stieglitzen, die schwarz-weiß-gelb vorübersirrten. Dollingers Blick wurde auf eine Gruppe von Männern gelenkt, die in der Ferne an einer der Holzbaracken beschäftigt waren. Einer der scheunenähnlichen Verschläge war geöffnet worden; und sie transportierten schwere Gegenstände an einen Wagen, der hinter Haselbüschen versteckt stand und nur mit dem rechten Vorderreifen sichtbar war.
    »Sieh mal, Matthias: Endlich wird dieses verdammte Giftzeugs weggeräumt!«
    Aber Jason zeigte wenig Interesse. Am Vorabend hatte er im ZDF in der Sendung ›Bilanz‹ eine Diskussion miterlebt, die ihn von Stunde zu Stunde mehr verärgerte. Er hatte sich wirklich aufs Kreuz legen lassen. Jetzt packte ihn nackte Wut, daß er den Raffinessen der sogenannten Fortschrittsgesellschaft so miserabel gewachsen war!
    »Das ändert auch nichts mehr! Die Sache ist verloren. Von welcher Seite das Gift kommt, ist zweitrangig!«
    Dollinger starrte fasziniert auf die vier Männer. Was sie transportierten, sah aus wie blinkende Waffen.
    »Na und?« kommentierte Jason. »Was sonst erwartest du aus diesen Munitionsbunkern?«
    »Sie tragen keine Uniformen, sie tragen Jeans!«
    »Mehr

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