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Deutschlandflug

Titel: Deutschlandflug Kostenlos Bücher Online Lesen
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als sechzig Prozent der amerikanischen Streitkräfte tragen Zivil!« kommentierte Jason. »Denk nur mal an die sogenannten Militärberater in den sogenannten unterentwickelten Ländern!«
    Ratlos ließ Dollinger seine Blicke zwischen Jason und den Jeansleuten schweifen. Dann nickte er und bog mit ihm in den Pfad zum Rhein ab. Fasane rannten gackernd ins Unterholz. Er wäre noch mißtrauischer geworden, wenn er den Wagen entdeckt hätte. Es war der gleiche, der sie anderthalb Stunden vorher überholt hatte.
    Und es war der gleiche, den Jason auf seiner Wanderung über den Kühkopf durchs Fernglas beobachtet hatte. Jetzt spielte sich der entgegengesetzte Vorgang ab: Die Waffen wurden zurück in den Buick transportiert.
    Jason, in seinem weltabgewandten, introvertierten Zustand, voller Groll, Zorn und offener Wut, schenkte dieser Form von Realität kaum Beachtung.
    Er freilich hätte sich der fünf Gesichter erinnern müssen. Er kannte sie bereits. Er hatte sie in den zahlreichen Protestkundgebungen entdeckt, die die › Vereinigung Umweltschutz e.V‹ gegen den Bau des Otto-Lilienthal-Flughafens abgehalten hatte. Seine Gedanken waren bei der Fernsehaufzeichnung des Vorabends …
    Die ›Live‹-Diskussion im ZDF hatte zum Thema ›Flughafen und Umweltschutz‹ stattgefunden. Es war ein trister Abend mit Schmuddelregen, als die dezent grauen und schwarzen Mercedeswagen der Gesprächsteilnehmer sich den Hang zu den Mainzer Studios hinaufquälten. Die Bauten lagen weit auseinandergezogen zwischen altem Baumbestand; und Jason, der als einziger mit Bahn und Taxi anreiste, mußte lange suchen, ehe er sich zurechtgefunden hatte.
    Die Auswahl der Teilnehmer bot ein Musterbeispiel an versteckter Manipulation. Als Vertreter von Regierung, Industrie und Forschung waren geladen worden: Dr. med. H. Winterholzer von der pharmakologischen Abteilung des medizinischen Instituts für Lufthygiene und Silikoseforschung an der Universität Düsseldorf – ein älterer, bescheiden wirkender Arzttyp, zu dem jeder Patient hätte Vertrauen haben können. Der Leiter der Arbeitsgruppe für Emissions- und Umweltschutz im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Hessen, Dr. Tailsch – näselnd und bebrillt, überlegen und nie Emotionen zeigend. Der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer für die Kreise Wiesbaden und Mainz. Der Umweltschutzbeauftragte des Frankfurter RheinMain-Flughafens, Hermann Haxfeld, der sich jahrelang mit den Lärm- und Abgasmessungen am alten Flughafen beschäftigt hatte.
    Von diesen Teilnehmern stand schon aufgrund ihrer Tätigkeit fest, daß sie im Höchstfall ein kleines Nein, auf je-den Fall ein großes Ja zum neuen Flughafen geben würden.
    Es war das erste Mal, daß Jason vor der Fernsehkamera stand; und verglichen mit der Routine der erfahrenen Profis schlug er sich redlich, obgleich er mit Kinderpistolen gegen unerschütterliche Panzer kämpfte. Ein wenig nervös, hatte er sich vorher ein paar schlichte Verhaltensregeln für den Kameraauftritt eingeprägt: niemals mit dem Kugelschreiber zur Bekräftigung auf den Tisch klopfen, das Jackett nicht schließen, um einen perfekten Hemdkragensitz zu gewährleisten, keine reflektierenden Nadeln, Manschettenknöpfe und ähnliches tragen. Um sich nicht von vornherein für das Publikum als herausragender Einzelgänger zu entpuppen, hatte er sogar eine Krawatte umgebunden, was er sofort bereute, als er spürte, wie unwohl er sich damit fühlte.
    Der Moderator knüpfte eine für Jason verblüffende Beziehung an: Im Jahre 1962 hatte es in Nordrhein-Westfalen einen Smogfall gegeben, auf dessen Konto, wenn auch unbewiesen, 152 Tote gebucht worden waren. Ob auch durch die Abgasemissionen des neuen Hafens die Gefahr eines solchen Smogfalls heraufbeschworen werde? Eine lange verneinende Diskussion bahnte sich an, und es kostete Jason kostbare 15 Minuten, ehe er klargemacht hatte, daß er eine solche Behauptung nie aufgestellt hatte.
    Worin er dann die Hauptgefahr sehe?
    Mit sanfter, wenig telegener Stimme und Haltung begann er von der Grundwasserverseuchung, der Landschaftszerstörung, der Gefährdung der Vogelwelt, insbesondere des Kühkopfes, zu sprechen. Der Moderator, der keine langatmigen Statements, sondern lebendige Diskussion wünschte, ließ ihn bald durch Dr. Tailsch unterbrechen, der als Umweltschutzbeauftragter doch eigentlich auf der Seite Jasons hätte stehen müssen. Aber Dr. Tailsch führte aus, es sei heute illusionär, jegliches

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