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Deutschlandflug

Titel: Deutschlandflug Kostenlos Bücher Online Lesen
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immer nur der jüngere, hippieähnlich gekleidete Teil der Zuhörerschaft klatschte; die ältere Schlips-und-Kragen-Generation verhielt sich nicht unfreundlich, aber reserviert.
    »Wir sind inzwischen so auf Leistung gedrillt worden, daß wir unfähig sind, unser Privatleben, um dessentwillen wir doch eigentlich Leistung absolvieren sollten, sinnvoll zu gestalten. Für unseren Rentnerlebensabend müssen wir uns kindische Hobbys aufschwatzen lassen, um unsere Leere nicht zu spüren. Sie ist absolut.« Er nahm einen Schluck Mineralwasser. »Wir müssen hinaus aus dem ganzen Plastikhobbykitsch unserer Scheinkultur!«
    »Aber die Griechen«, rief einer der älteren Teilnehmer jetzt dazwischen, »scheinen auf ihr geruhsames Fischerdasein keinen Wert zu legen. Sie kommen seit Jahren in Scharen zu unserer angeblichen Scheinkultur!«
    »Das ist ein psychologisches, kein soziologisches Problem!« Jason strich sich die Strähnen aus dem Gesicht; die Hitze der Scheinwerfer machte ihm zu schaffen. »Es hat mit der Verführung durch den Scheinglanz der Zivilisation zu tun. Wir wollen kein Rousseausches Zurück-zur-Natur; es geht um ein Vorwärts, ein Hinaus aus der Misere, in der wir versinken wie in unseren Müllhalden. Hinaus mit jenem Mindestmaß an zivilisationsmäßig Gutem, auf das wir keineswegs zu verzichten brauchen. Den Mercedes-Zweitwagen, den dritten Farbfernseher aufgeben heißt noch lange nicht, auf die Stufe des Neandertalers zurücksinken. Eine solche Alternative lassen sich heutzutage selbst gebildete Menschen aufschwatzen.« Er verschob sein Manuskript, in dem er lediglich Stichworte notiert hatte; er pflegte frei zu sprechen. »Wir wissen uns vor Stolz nicht zu beherrschen, wenn ein paar Spezialisten, mit deren Fachleistung wir uns voll identifizieren, zum Mond fliegen oder ein paar Goldmedaillen gewinnen. Aber trotz dieser Größe, in der wir uns selber erscheinen, dulden wir, daß unser Rheinkarpfen ungenießbar, der Lärm und Gestank unserer Städte unzumutbar geworden sind. Wir lassen uns See um See, Strand um Strand verseuchen und lassen uns einreden, wir müßten wieder mit dem Steinbeil essen, um eine saubere Umwelt zu erhalten. Meine Herren …« Er wölbte den Unterleib leicht vor und preßte die Handflächen auf die Hinterbacken. »Wir sind heute in der Lage eines in der Wüste Verirrten, der nach und nach seine Reiseutensilien von sich wirft, um mit letzter Kraft auf allen vieren die Oase zu erreichen. Was können wir tun? Damit, sehr verehrte Zuhörer, sind wir beim heutigen Thema!«
    Jason hatte somit beendet, was er als ›geistige Vertiefung eines konkreten Anliegens‹ bezeichnete. Man trat in eine ausführliche Fachdiskussion über den Stand der Maßnahmen gegen die Inbetriebnahme des Rhein-Spessart-Flughafens ein. Letzten Endes ließ sich die Tatsache nicht wegdiskutieren, daß, trotz mehr als zehnjährigen Widerstandes, der neue Hafen gebaut worden war, mit erheblichen Verzögerungen zwar, aufgrund immer wieder neu zu erstellender Gutachten und Berufungsverfahren, aber eben doch mit dem Ergebnis, daß er morgen eröffnet werden würde.
    Von all den zeitweilig so großartig scheinenden Chancen war den zahlreichen Schutzvereinigungen nichts geblieben als die Durchsetzung eines Nachtstartverbotes: In der Zeit von 0.30 Uhr bis 5.00 Uhr morgens herrschte Start- und Landeverbot für Linienflugzeuge. In der Zeit von 23.00 Uhr bis 6.00 Uhr für Charterflugzeuge. Keiner der Betroffenen zeigte sich zufrieden mit den Maßnahmen. Die Fluggesellschaften erklärten, das Verbot würde in den übrigen Stunden zu einer Intensivierung des Verkehrs und Lärmes führen. Die Chartergesellschaften fühlten sich diskriminiert. Die Umweltschützer schließlich hatten versucht, ein Achtstundenverbot durchzukämpfen.
    Die turbulente Diskussion über weitere Maßnahmen drohte seiner Kontrolle zu entgleiten. Immer wieder versuchte er, das Niveau zu heben, gleichzeitig anzufeuern und zu lenken:
    »Die Herren des Großkapitals und der Großindustrie haben eine seltsame Maxime aufgestellt: Das Rad der Zeit lasse sich nicht zurückdrehen! Abgesehen davon, daß erst die kommende Generation darüber befinden wird, wer in Wirklichkeit das Rad der Zeit zurückdreht, die sogenannten Fortschrittlichen-um-jeden-Preis oder wir … abgesehen davon, meine sehr verehrten Anwesenden …« Auf den hinteren Reihen entstand Unruhe, die sich nach vorn fortpflanzte; und er geriet leicht aus dem Konzept. »Denn wenn wir unsere Flüsse und

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