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Deutschlandflug

Titel: Deutschlandflug Kostenlos Bücher Online Lesen
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Er schrak auf. Ulla stand in ihren knallgelben Hosen neben ihm und hatte ihr betörendstes Lächeln aufgesetzt. Ihre Erscheinung hatte einen unbeabsichtigten Effekt: Gundolf seufzte tief und unglücklich auf. Schlagartig stand die Gegenwart vor ihm, hart und nackt. Er hatte ihr entfliehen wollen. Als Bloch Gas gab und seine Maschine auf 15.000 Fuß hielt, war ihm, als wäre nun seine eigene Verantwortung als Flugdienstleiter von ihm gefallen. Aber er hatte nur einen kurzen Urlaub auf Raten genommen; sein Geist hatte sich eigenmächtig von der Truppe entfernt.
    »Überprüfst du noch mal die Treibstoffreserven für die 2000?« bat Gundolf Allermann.
    »Schon gemacht. Sie kann«, er sah auf die Uhr, »ab jetzt noch genau acht Stunden und dreiunddreißig Minuten in der Luft bleiben.«
    »Ich mach' euch mal einen richtig schönen Kaffee!« sagte Ulla. Sie gab sich der Kaffeezubereitung mit jenem Ernst hin, den sie einmal für ihr Biologiestudium aufzuwenden gehofft hatte.
    Sie war am Hamburger Numerus clausus gescheitert, den der Senat 1973 verhängt hatte. Er war die erste totale Sperre; 25.000 Studenten wurden als Limit für die geistige Zukunft der Hansestadt angesehen.
    Wütend telefonierte Vater Voorst mit Jörg Lippert, dem Leiter der Uni-Pressestelle – der empfahl, sein Glück an anderen Universitäten zu versuchen oder sich der Computerverteilung anzuschließen, die die Bewerber auf die freien Studienplätze Deutschlands verteilte. Aber Ulla hatte längst die günstige Gelegenheit beim Schopf und eine Stellung bei ›Avitour‹ ergriffen, mit der Aussicht, bald in eine Direktorsekretärinnentätigkeit hinaufrutschen zu können.
    Gundolf stand, beide Hände tief in die Hosentaschen vergraben, am Fenster und starrte in eine imaginäre Ferne. Wie ein Masochist wiederholte er: »Dann wird sie landen müssen. Und wenn sie durch dreizehntausend Fuß sinkt .«
    »Das wird sie nicht!« beharrte Allermann.
    Im Arbeitsraum des Flughafendirektors läutete das Telefon.
    »Hier Brändel, Otto Lilienthal!«
    »Quandt hier, ›Avitour‹! Sind Sie informiert über die Bombenwarnungen?«
    »Ich bin informiert.«
    »Über alle?«
    »Über alle. Die ersten Stunden auf Otto Lilienthal fangen gut an. Ein richtig schöner deutscher Frühlingstag!«
    »Was gedenken Sie zu tun? Flughafenseitig gesehen?«
    »Sie haben mich sozusagen mitten im Denken überrascht. Ich war bisher vollauf mit den Protestaktionen der Umweltschützer beschäftigt. Die hatten einen genehmigten Demonstrationsmarsch angemeldet. Es gingen Gerüchte, daß sie sich ungenehmigt auf die Startbahn legen wollten. Aber bislang sind sie noch nicht einmal am Flughafen angekommen. Offensichtlich im Verkehrschaos steckengeblieben …«
    »Dann können Sie sich jetzt voll auf die Bomben konzentrieren.«
    »Sobald die störenden Anrufe aufhören. Die ›Lufthansa‹ war auch schon dran, wollte wissen, ob, auch ja keine Verwechslung mit einem ihrer Flugzeuge vorliege. Also: Ich informiere Sie, sobald sich hier was tut, flughafenseitig.«
    »Okay.«
    Während die Heckflosse noch über Groß-Gerau wischte, zeigte der Bug bereits auf das dunstverhangene Rheingaugebirge, glitt über Eltville und Rüdesheim, wo Rut und ihr Student Ronald Wittekop gerade den weißen Vergnügungsdampfer rheinabwärts bestiegen. Die ›Steppenadler‹ flog ein wenig voraus, als wolle sie den Weg nach Bonn weisen, kurvte dann aber jäh zurück und begann, weiße Streifen an den Himmel zu malen.
    Bloch hatte sich entschlossen, über dem Funkfeuer Rüdesheim ins Warteverfahren zu gehen, um in Ruhe seine Bombensuchliste beenden und weitere Informationen abwarten zu können.
    Die Bombensuchliste war ein umfangreiches Dokument, das an einem geheimgehaltenen Ort aufbewahrt und bei einer Bombenwarnung zur Suche benutzt wurde. Nach einem bestimmten Verfahren wurden Toiletten, Hutablagen, Küchen, Sitze durchsucht. Während des Fluges konnten damit nur die Innenräume erfaßt werden; Fahrwerkschächte und Frachträume lagen außerhalb des Kontrollbereichs.
    Bloch hatte einen Teil der Durchsuchung selber durchgeführt, dann hatte er Mahlberg zum Bordingenieur in die Kabine geschickt. Von Flugminute zu Flugminute wurde sein Zorn größer. Er reagierte wie ein Kind, dem man sein Spielzeug wegnehmen wollte. Und zwar auf eine gemeine, hinterlistige Art, gegen die man sich nicht einmal mit Heldenmut wehren konnte. Man war ihr ausgeliefert und mußte macht- und hilflos mit ansehen, wie irgendwelche Schweine

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