Deutschlehrerin
uns kaputt angesichts der breit grinsenden Gestalten mit den gelglänzenden Körpern, den pastellfarbenen Badeanzügen samt Leggings und den Föhnfrisuren, die da vor uns auf und ab hüpfen. Das heißt, ich lache mich kaputt, er ist zu sehr bemüht, Bewegungen und Verrenkungen richtig auszuführen. Das tägliche Turnen tut uns gut und hält uns fit, wir brauchen es beide. Wenn das Video fertig ist, fallen wir übereinander her, verschwitzt und aufgeheizt. Wir lieben uns ein zweites Mal und dieses Mal kann er sich so lange beherrschen, bis wir gemeinsam einen Orgasmus haben. Später essen wir. Es ist wie immer ein perfekter Abend. In der Nacht warte ich, bis er eingeschlafen ist, und lasse die schwere Tür ins Schloss fallen.
Xaver: Wow, Mathilda! Das ist unglaublich! Was erzählst du mir da für eine Geschichte? Schreibst du sie für den Playboy?
Mathilda: Ich schreibe sie gar nicht, sie existiert nur in meinem Kopf.
Xaver: Und was sagt dir dein Kopf damit? Dass du vielleicht wieder einmal Sex haben solltest?
Mathilda: Mein Sex oder Nicht-Sex geht dich nichts an.
Xaver: Ich bin erregt. Vielleicht sollten wir doch –?
Mathilda(lacht): Hör schon auf!
Xaver: Früher hast du dir immer ganz andere Geschichten ausgedacht.
Mathilda: Welche?
Xaver: Brave, züchtige Familiendramen. Warum hast du dir nicht schon früher so erotische, hemmungslose Geschichten ausgedacht? Überhaupt – warum warst du früher nicht frecher und spontaner? Dann wäre ich vielleicht –
Mathilda: Was wärst du dann?
Xaver: Nicht gegangen. Und mir wäre alles danach, ich meine das Schreckliche, erspart geblieben.
Mathilda: Willst du damit sagen, ich bin an allem schuld? Weil ich nicht so war, wie du dir Frauen in deinen Träumen ausgemalt hast, hast du armer Mann gehen müssen? Zu einer reichen, nervösen Frau?
Xaver: Es tut mir leid. Es tut mir leid. Es tut mir leid!
Mathilda: Ich bin schuld daran, dass dir das passiert ist, was dir passiert ist?
Xaver: Ich habe mich nur unglücklich ausgedrückt!
Mathilda: Euer Kind wurde wegen eurer Bequemlichkeit entführt. Ihr wart zu faul, um auf den Kleinen selber aufzupassen. Ihr habt dafür ein fremdes, unreifes Mädchen gebraucht.
Xaver: Es hätte ja auch mir oder Denise passieren können.
Mathilda(leise): Mir wäre es nicht passiert.
Xaver: Natürlich, du bist ja perfekt! Du warst immer perfekt, perfekt, perfekt! Du hast nie Fehler gemacht, nicht wahr?
Mathilda: Es ist besser, du gehst jetzt. Gute Nacht. Wir sehen uns morgen in der Schule.
VERNEHMUNGSPROTOKOLL VON XAVER SAND AM 9.MÄRZ 2012
Kripobeamter Josef Zangerl: Können Sie sich ausweisen?
Xaver Sand: Ich habe meinen Führerschein dabei.
J. Z.: Gut. Geben Sie ihn mir. Xaver Sand, geboren am 1. März 1958. Wohnhaft?
X. S.: Seit einem Jahr in Schuroth 1, 4135 Hegnersdorf, Oberösterreich. Vorher habe ich in Berlin gelebt.
J. Z.: Beruf?
X. S.: Schriftsteller.
J. Z.: Und wie Sie mir vorher erklärt haben, sind Sie gekommen, um im Fall der Entführung von Jakob Sonnenfeld neu auszusagen?
X. S.: Ja.
J. Z.: Gut, es ist der 9. März 2012, dreiundzwanzig Uhr fünfzehn. Dann erzählen Sie bitte von Anfang an, was passiert ist. Seit wann sind Sie in Innsbruck?
X. S.: Ich kam am letzten Sonntag, am 4. März, um circa vier Uhr nachmittags an.
J. Z.: Wo genau?
X. S.: Bei Mathilda Kaminski am Bergiselweg 41. Wo ist sie?
J. Z.: Sie wird im Nebenzimmer vernommen. Sie kennen die Dame gut?
X. S.: Ja, wir waren früher ein Paar, in Wien, sechzehn Jahre lang.
J. Z.: Wann war das?
X. S.: 1980 bis Mai 1996.
J. Z.: Was wollten Sie bei Frau Kaminski?
X. S.: Sie ist Deutschlehrerin hier in Innsbruck, bei den Ursulinen, und ich hielt diese Woche dort eine Schreibwerkstatt.
J. Z.: Frau Kaminski bat Sie also um diese Schreibwerkstatt?
X. S.: Nein, nicht direkt. Das ist kompliziert.
J. Z.: Mein IQ wird es aushalten. Erklären Sie es mir.
X. S.: Der Tiroler Landesschulrat organisierte für fünfzehn Höhere Schulen in Tirol Schreibwerkstätten, die jeweils von österreichischen Schriftstellern gehalten werden sollen. Es wurde gelost, welcher Schriftsteller an welche Schule kommt. Ich wurde also per Losverfahren der Schule zugeteilt, an der Mathilda, ich meine Frau Kaminski, unterrichtet. Im Jänner nahmen wir per E-Mail Kontakt auf und vereinbarten den Termin 5. bis 9. März. Ich freute mich sehr auf das Treffen.
J. Z.: Sie kamen also am Sonntag um circa sechzehn Uhr an. Was geschah dann?
X. S.: Nichts Besonderes, wir unterhielten
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