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Deutschlehrerin

Deutschlehrerin

Titel: Deutschlehrerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Taschler
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fast zwei Stunden depressiv auf und konnte in der Nacht nicht schlafen, deshalb verzichtete ich bald wieder darauf.
    Ich liebe meinen Alltag und kann ohne das Alltägliche nicht sein. Ich brauche diese feste Struktur des Tages, wie man Essen und Trinken braucht. Die vollkommene Akzeptanz des täglichen prosaischen Einerleis und seiner Verrichtung erlaubt mir in manchen Momenten, mich mit meinem Leben zu versöhnen. (Ist das nicht ein schöner, gelungener Satz?)
    Meist geschieht das am Morgen, wenn ich meine sonnendurchflutete Küche, sie liegt nach Osten, betrete. Jeder Handgriff folgt einer jahrelang erprobten Reihenfolge, das Radio, Ö1 , wird eingeschaltet, die Blumen auf den Fensterbrettern von rechts nach links gegossen, der Filterkaffee zubereitet, die Tasse aus dem Schrank, das Brot aus der Schublade, Butter und Marmelade aus dem Kühlschrank geholt und auf den Tisch gestellt. Dann sitze ich ungefähr eine halbe Stunde am Tisch, frühstücke, höre Musik und schaue in den Garten zu meinen Rosen hinaus. In jenen Momenten spüre ich das vertraute Alltägliche, wie es in mein Bewusstsein dringt und sich dort ausbreitet. Oft beobachte ich an den Schülerinnen, aber auch an Kollegen, wie sie sich gegen das Alltägliche wehren und auflehnen, wie sie es mit Festen, Partys, Zeremonien und gezwungenen Unternehmungen durchbrechen wollen, mit einer ständigen Ansammlung von vielen Menschen um sich herum, mit krampfhaften Aktivitäten, mit Facebook, Twitter, Rastlosigkeit, Geschrei und dem Wahn, überall dabei sein zu müssen – und kann nur darüber lächeln.
    Jetzt, Xaver, wünsche ich dir eine gute Nacht, morgen schreibe ich weiter, falls du überhaupt mehr über mein langweiliges Leben lesen willst.
    Mathilda
    Acht Minuten später
Von: Xaver Sand
An: M. K.
    Natürlich will ich weiterlesen …
    … und vor allem will ich wissen, ob Du eine Beziehung hast – und jetzt wünsche ich Dir ebenso eine gute Nacht, obwohl ich am liebsten vorher ein Glas Rotwein mit Dir trinken würde!
    Xaver
    Gesendet:27. Februar 2012
Von: M. K.
An: Xaver Sand
    Guten Morgen, Xaver!
    Einmal in der Woche treffe ich meine Freundin Silvia. Entweder kommt sie auf ein Gläschen vorbei oder wir gehen gemeinsam ins Theater, Kino, zu Lesungen oder am Wochenende eine Runde wandern. Im Sommer fahren wir jedes Jahr eine Woche weg, im letzten Jahr machten wir in Irland eine Rundreise, es regnete zu viel und wir tranken eindeutig zu viel. (Wir tanzten tatsächlich betrunken auf einem Tisch – no kidding!)
    Einmal im Monat veranstalte ich bei mir zu Hause mit drei Arbeitskolleginnen eine Art Leserunde. Wir lesen und besprechen Bücher, die uns beeindruckten, manchmal schauen wir uns auch einen Film an oder kochen gemeinsam. Zu Weihnachten kommt jedes Jahr mein Bruder mit seiner Frau und den beiden Kindern Kevin und Desiree aus Holland zu mir.
    Zu Stefan habe ich leider immer noch ein distanziertes Verhältnis, obwohl ich mich um ihn bemühe, öffnet er sich mir gegenüber nicht. Mit seiner Frau Nathalie verstehe ich mich prächtig, sie ist ein liebevoller und einfühlsamer Mensch. Jedes Mal wieder, wenn ich die beiden sehe, beneide ich Stefan um sein Glück, die richtige Partnerin gefunden zu haben.
    Ab und zu kommt im Sommer Desiree zu mir, mein Patenkind lässt sich verwöhnen und eine Menge Geld zustecken und ich tue es gern. Ich spüre, dass sie damit rechnet, einmal von mir Starthilfe zu bekommen, sei es, um sich das erste Auto oder die erste Wohnung leisten zu können, und ich lasse sie in dem Glauben, es wird wahrscheinlich wirklich so sein.
    Nach Hause fahre ich nicht mehr, seitdem meine Mutter gestorben ist. Nach Wien fahre ich ebenfalls nie, Karin kommt aber gelegentlich nach Innsbruck und besucht mich. In den ersten Jahren fragte sie mich jedes Mal mit leicht sensationsgierigem Blick nach dir, anfangs ob ich viel an dich dächte, später, ob du dich doch mal gemeldet hättest. Einmal verbat ich es ihr lautstark deinen Namen zu nennen, und sie verlor die Fassung. Danach kam sie seltener.
    Alles in allem verläuft mein Leben in ruhigen Bahnen, es gab Zeiten, in denen ich es mir anders gewünscht hätte, seit ein paar Jahren habe ich damit meinen Frieden geschlossen, zumindest meistens.
    Mathilda
    P. S.: Und nein, ich habe keinen Ehemann, keine Kinder und zurzeit auch keinen Freund. Die letzte Beziehung ist zwei Jahre her.
    Vier Minuten später
Von: Xaver Sand
An: M. K.
    Wie hieß er? Was machte er? Wie lange wart ihr zusammen?
    Gesendet: 28.

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