Deutschlehrerin
beruflichen Erfolgen, von Kindergeburtstagen, Skiurlauben, Elternsprechtagen und vor allem von ihr als der alles bewältigende, organisierende, liebevoll lenkende und überwachende Pol, und in allem beherrschte sie besonders ein Gedanke: es besser zu machen als ihre Mutter.
Zwischen ihrem achtzehnten und dreißigsten Lebensjahr verspürte Mathilda den Wunsch nach einer eigenen Familie nicht so stark wie in ihrer Kindheit und Jugend, er schlummerte relativ friedlich in ihrem Inneren, sie war beschäftigt mit Studium, Arbeit und Beziehung. Mit achtzehn zog sie in die Großstadt und studierte, mit zweiundzwanzig lernte sie Xaver kennen und verliebte sich unsäglich in ihn, zwei Jahre später zogen sie in eine gemeinsame Wohnung. Sie genoss ihre Arbeit als Lehrerin und wollte deshalb nichts überstürzen, dass sie aber später eine Familie mit Xaver haben wollte, dessen war sie sich stets bewusst. Sie wollte unbedingt Kinder großziehen und durch sie das pulsierende Leben – in das sie es alleine oft nicht schaffte einzutauchen – um sich spüren.
Nach ihrem dreißigsten Geburtstag erwachte ihr Kinderwunsch allmählich wieder und erlangte innerhalb der nächsten Jahre eine Heftigkeit, die ihr ganzes Tun und Denken beherrschte und sie lähmte. Xaver wehrte sich vehement gegen ein Kind, da er sich noch nicht reif für eine Familie fühlte, und vertröstete sie immer wieder, auf eine Zeit, in der er in der Lage sein würde, eine Familie überhaupt zu ernähren. Die meisten aus ihrem Bekanntenkreis gründeten Familien, sie waren mehrmals im Jahr bei Verlobungsfeiern, Polterabenden, Hochzeiten oder Taufen eingeladen. Xaver saß dann mit gelangweilter Miene neben Mathilda, er verabscheute solche Feiern, sie beobachtete die Leute neidisch und hätte alles, alles dafür gegeben, die Braut oder die Mutter des Täuflings zu sein. Ja, sie hatte konventionelle Träume, sah sich in einer weißen Rüschenwolke auf den Altar zuschreiten, dezent geschminkt, mit hochgesteckter, eleganter Frisur, Rosen in den behandschuhten Händen, ihrem Freundeskreis strahlend zulächelnd, ja verdammt, sie hatte solche Träume, hatten die nicht alle Frauen? Sie wusste, dass Xaver sie dafür verachtete.
Mit fünfunddreißig war ihr Kinderwunsch dermaßen stark, dass sie glaubte, verrückt zu werden. Wenn sie durch die Straßen der Stadt ging, zur Schule radelte oder einkaufen ging, sah sie überall nur Kinder um sich herum, sie stachen ihr ins Auge: Kleinkinder und Babys in Kinderwagen, werdende Mütter, die ihren riesigen Bauch stolz vor sich herschoben, stolz grinsende Männer, die ihre Hände gerade dann auf diese Bäuche legten, wenn besonders viele Leute zusahen.
Xaver wehrte sich beharrlich und eisern, und als sie die Pille absetzte, verwendete er gewissenhaft Kondome. Jedes Mal, wenn sie Sex hatten, auch wenn es der erste Tag nach ihrer Periode war, oder der letzte, gab es die unvermeidliche Unterbrechung, er wollte absolut kein Risiko eingehen. Kurz vor seinem Höhepunkt ließ er stöhnend von ihr ab, richtete sich auf, kramte ein Kondom von irgendwoher hervor, um es sich dann in mühsamer Kleinstarbeit überzuziehen.
Mathilda lag neben ihm, beobachtete ihn dabei und hasste seinen lächerlichen Anblick. Er saß mit gespreizten, ausgestreckten Beinen und stark gekrümmtem Rücken auf dem Bett, das Gesicht starr hinunter gewandt, sodass nur etwa zwanzig Zentimeter Abstand zwischen Nase und Eichel waren. Dabei hatte er einen dermaßen konzentrierten, sich vergessenden Ausdruck, die Stirn lag in Falten und nicht selten kam die Zungenspitze zum Vorschein; einmal war er verschnupft und die Nase begann zu rinnen, doch das Kondom und dessen richtiger Sitz waren wichtiger, sodass sich ein Tropfen schließlich löste und genau auf die plastikbezogene Eichel fiel. Eine Ewigkeit fingerte er mit dem Kondom herum, er war nicht besonders geschickt damit, ein Jahrzehnt lang hatte sie ihm das Auseinandersetzen mit Kondomen durch das Schlucken der Pille erspart. Überhaupt war er mit seinen Fingern nicht besonders geschickt, was Bastelarbeiten oder handwerkliche Fähigkeiten betraf, mehrmals hatte er Freunden gegenüber über seine mangelhafte Feinmotorik gewitzelt. Doch er gab nicht auf, bis es bis oben hin faltenfrei saß, es sollte keine noch so geringe Möglichkeit geben, dass es verrutschen oder sich gar in ihr verabschieden könnte. Wenn er fertig war, wandte er sich ihr mit einem leicht verlegenen Lächeln zu, verlor keine Zeit und drang in sie ein,
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