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Deutschlehrerin

Deutschlehrerin

Titel: Deutschlehrerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Taschler
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anderen, denn ihre Treue war nicht immer liebevoll. Thomas’ Motiv war die Sanftmut , Marthas war eindeutig Hass, das Motiv von Mathildas Vater Paul war Ergebenheit .
    Mathildas Motiv war Lebenstüchtigkeit und sie war sich dessen durchaus bewusst, sie war sogar stolz darauf, lebte ganz dafür. Sie war tüchtig und meisterte ihr Leben. Sie wusste, was sie wollte und steuerte darauf zu. Gab es etwas Erfüllenderes? Ihre gesamte Persönlichkeit bestand aus Lebenstüchtigkeit, aus ihren Poren drang unermüdlich das Credo »Ich vergeude mein Leben nicht, also bin ich!« Da sie nicht wollte, dass man ihr Verbissenheit nachsagte, versuchte sie ihrer Lebenstüchtigkeit einen Hauch von Leichtigkeit und Beschwingtheit zu verleihen, was ihr aber nicht immer gelang, denn ihr zweites Motiv war die Schwermut .
    In den ersten zehn Jahren in der Schule fehlte sie keinen einzigen Tag, da sie sich lieber mit Bronchitis in den Unterricht schleppte, als sich die Blöße zu geben, sich beim Direktor krankzumelden. Wenn sie merkte, dass ein Schüler oder ein Kollege Probleme hatte, war sie zur Stelle und setzte sich für denjenigen ein und half. Sie war stolz darauf, wenn Leute ihr zu verstehen gaben, dass sie sie für tüchtig hielten, wenn Eltern von Schülern ihr Komplimente machten, sie hätten bisher keine so engagierte Lehrerin, die derart viele verschiedene Methoden im Unterricht verwendete, kennengelernt. Sie achtete auf ein gepflegtes Äußeres und gab sich in der Arbeit, im Freundeskreis, mit Xaver, stets freundlich, fröhlich und optimistisch, obwohl es in ihrem Innersten oft ganz anders aussah. Das Bild ihrer Mutter hatte sich tief in ihr Innerstes eingegraben: fett, schlecht riechend, grantig, energielos, mit öligen Haaren und schmutziger Kleiderschürze auf dem Sofa sitzend. Mathilda wollte das absolute Gegenteil ihrer Mutter sein und handelte jeden Tag danach. Es war wie ein Zwang; sich gehen zu lassen war eine Todsünde. Selbst am Wochenende und in den Ferien war Mathilda tüchtig, entweder wurde für die Schule vorbereitet und korrigiert, oder es wurden Freizeitbeschäftigungen geplant und organisiert, man wanderte, fuhr Rad, ging ins Theater, in Ausstellungen, man lungerte nicht herum.
    Nur bei Xaver konnte sie nie richtig punkten mit ihrer Lebenstüchtigkeit, und sie litt darunter.

MATHILDA ERZÄHLT XAVER EINE GESCHICHTE
    Eigentlich waren die Jahre zwischen seinem zweiten und dem achten Geburtstag am schönsten. Danach wurde alles schwieriger. Er wurde körperlich immer stärker und hatte plötzlich unkontrollierte Wutanfälle. Am schlimmsten waren sie, wenn ich zur Tür hinaushuschen musste, und er schlief nicht, weil zum Beispiel jemand oben an meiner Haustür stand und klingelte. Er wollte mich nicht gehen lassen, nein, eigentlich wollte er mich gehen lassen, aber unbedingt mitkommen. Die Welt außerhalb seiner kleinen Wohnung wollte er kennenlernen und verstand nicht, warum er das nicht durfte. Ich schaffte es fast nicht mehr, die Tür einen Spalt zu öffnen, mich durchzuschieben und sie von außen wieder zu verriegeln. Er klammerte sich an mich, schlug auf mich ein, biss mich in Arme und Beine und ich wusste mir nicht anders zu helfen, als zurückzuschlagen. Diese Kämpfe waren für uns beide furchtbar. Ich musste mir tatsächlich einen Baseballschläger anschaffen und mit ihm in der Hand die Wohnung betreten und auch wieder verlassen. Nach ungefähr einem Jahr ließ er sich selbst von dieser Waffe nicht mehr abschrecken und verfolgte mich bis zur Tür. Einmal schlug ich so fest auf seine linke Hand ein, dass seine Fingerknöchel wahrscheinlich dabei gebrochen wurden, die ganze Hand war wochenlang violett angeschwollen. Bis heute kann er sie nicht mehr richtig bewegen, sie wirkt steif und verkrüppelt.
    Xaver: Hör auf, Mathilda, das ist ja grauenhaft!
    Daraufhin musste ich mir etwas einfallen lassen. Ich war immer davor zurückgeschreckt, doch gab es nun keine andere Möglichkeit mehr: Als er schlief, wickelte ich das eine Ende der dünnen Eisenkette fest um sein Fußgelenk und verschloss sie mit einem Sicherheitsschloss. Das andere Ende hängte ich in den Ring, den ich vorsorglich in die Mauer eingemauert hatte, schon bevor ich ihn heimgeholt hatte. Auch hier verschloss ich das Ganze mit einem Sicherheitsschloss. Mit dieser Kette kann er sich in der ganzen Wohnung frei bewegen, er kommt in das Badezimmer, in das Schlafzimmer, in die Wohnküche und in den Gang, nur bis zur Tür kommt er nicht. Ich berechnete

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