Deutschlehrerin
bedrohte Asylanten einsetzte. Er stand tagelang in der Hainburger Au als Demonstrant und arbeitete eine Zeit lang ehrenamtlich bei Amnesty International mit. Vor den Frauen war er der sanfte, interessante Schriftsteller.
Denn Xavers Eitelkeit bestimmte nicht nur seinen Berufswunsch, sondern trieb ihn auch rastlos zu einer Frau nach der anderen, er liebte und brauchte sie. Er brauchte die Momente, in denen ihn die Frau mit überschäumender Verliebtheit, mit wissbegierigem und verschlingendem Interesse ansah, er sehnte sich danach und konnte ohne sie nicht sein. Xaver wollte sich in den verliebten Augen der Frauen sonnen, so wie er sich in der Kindheit in den Augen seiner Mutter gesonnt hatte.
Er sah gut aus, besaß Charme und die Frauenherzen flogen ihm zu, ab sechzehn hatte er ein reges Sexualleben, meistens mit Frauen, die älter waren als er. Die Frauen himmelten ihn an, sie konnten es kaum glauben, wenn er erzählte, er wolle Schriftsteller werden und später, er sei Schriftsteller. Da er dann in seiner Karriere nicht so erfolgreich war, dass er sich bei zahlreichen Lesungen in den Augen seines Publikums hätte sonnen können, musste er mit der kleinen Bühne der zweisamen Affäre vorliebnehmen. Nach ein paar Treffen kühlten Verliebtheit und Bewunderung ab und die Frauen begannen, Xaver ihr Leid zu klagen, sie jammerten über ihre Partner oder Expartner, über ihre schwierige Kindheit, über ihre schwierigen Kinder. In den Geschichten, die sie erzählten, ging es zumeist um das Verlassen und Verlassenwerden, die Angst davor, die Einsamkeit danach.
Wenn Xaver die Geschichten einer Frau interessant fand, traf er sie länger, wenn nicht, brach er das Verhältnis sofort ab. Monotones Beklagen über das knappe Haushaltsgeld oder über die Eltern, die der Tochter mit achtzehn kein eigenes Auto geschenkt hatten, konnte er absolut nicht leiden, oft stand er dann vom Bett auf und begann sich anzuziehen, während die Frau noch redete. Er wollte von echten Tragödien hören, sie waren der zweite Grund, warum Xaver sich mit vielen Frauen traf. Er liebte es, Geschichten von fremden Leben zu hören und sortierte beim Zuhören schon aus, welche für sein Schreiben nützlich sein konnten und welche nicht. Verliebte Frauen erzählten nach einer leidenschaftlichen Begegnung liebend gern alle möglichen Familientragödien und Familiengeheimnisse der Vergangenheit und Gegenwart. Manchmal machte er sich auch Notizen über diese Geschichten, für den Fall, dass er dafür später einmal in einem Roman Verwendung haben sollte. (Er hatte kaum jemals Verwendung für eine dieser Geschichten, die er sammelte, dennoch hörte er sie gerne und spielte gedanklich damit herum. Überhaupt hörte er lieber Geschichten, als sie aufzuschreiben, eine denkbar ungünstige Voraussetzung für einen Schriftsteller.)
Als Xaver Mathilda traf, hätte er nicht mehr sagen können, wie viele Frauen er bereits geliebt hatte. Er wollte es auch nicht sagen und behauptete ihr gegenüber, es hätte bisher drei Freundinnen gegeben. Sie kam ihm so ernsthaft vor und er wollte ihr gefallen, wollte vor ihr nicht als der oberflächliche Frauenschwarm dastehen. So war von Anfang an die Lüge ein Dauergast in ihrer Beziehung.
Xaver ahnte bereits am Anfang ihrer Beziehung, dass sie für ihn und seine Karriere von großem Nutzen sein konnte, denn wie kein anderer verstand sie es, ihn zum Schreiben und Weiterschreiben zu motivieren. Er war kein schlechter Mensch, es war keineswegs so, dass er sie bewusst ausnutzen wollte, denn er liebte sie wirklich, er bewunderte ihre Energie und Strukturiertheit, profitierte in den ersten Jahren sehr davon und ließ sich mitreißen. Außerdem rührte ihn ihre übermäßige Liebe und ihre Bewunderung, in der er sich viele Jahre lang sonnte. Bei allen anderen Frauen war dieses Strahlen in den Augen, wenn sie ihn ansahen, bereits nach wenigen Begegnungen erloschen, das Interesse und die Verliebtheit abgekühlt, bei Mathilda hielt es unglaublich lange an. Und das machte es Xaver möglich, ihr neun Jahre lang treu zu sein.
Warum zogen sich nun Lebenstüchtigkeit und Eitelkeit an, wie konnte es das geben? Warum verliebten sie sich ineinander? Das fragte sich vor allem Mathilda später oft, zu einem Zeitpunkt, als sie hinter seine Affären gekommen war und darunter sehr litt. Es war, weil Xaver dasselbe zweite Motiv hatte wie Mathilda, nämlich die Schwermut . Und weil sie beide eine gemeinsame Leidenschaft hatten: die Liebe zur Literatur,
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