Deutschlehrerin
kleine Carolina/Eleonore mit den roten Lackschuhen ihrer Oma vor uns auf und ab und wir brechen fast nieder vor lauter Lachen. Wir sitzen auf der Terrasse, essen zu Abend und lachen. Du bist mittlerweile ein bekannter Schriftsteller, Deine Bücher verkaufen sich gut und ich arbeite ein paar Stunden als Deutschlehrerin in der nächsten Stadt. Deine Mutter hilft mir im Haushalt und bei den Kindern, und wir verstehen uns alle gut.
Du schreibst oft bis in die Nacht hinein und ich lese im Bett. Wenn es mir zu lange dauert, komme ich zu Dir in das Arbeitszimmer, ich setze mich rittlings auf Deinen Schoß und küsse Dich. Ich bedecke Dein Gesicht mit tausend kleinen Küssen, bis ich Deinen Mund finde. Deine Küsse sind warm und schmecken nach Milchreis. Ich ziehe Dir Deinen Pullover aus, während Du versuchst, die elektrische Schreibmaschine auszuschalten. Mit meinen Fingerkuppen fahre ich über Deine goldbraune, weiche Haut, fahre über die Schulter über die Achsel bis zu Deinen Brustwarzen und weiter bis zum Nabel. Du schiebst den Stuhl zurück, stehst mit mir auf, ich habe meine Beine um Deinen Rücken geschlungen. Du gehst mit mir im Raum auf und ab, während wir uns wieder und wieder küssen. Du legst mich auf den Perserteppich Deines Großvaters und wir lieben uns.
Am nächsten Tag frühstücken wir alle fünf auf der Terrasse. Es ist harmonisch. So wird es sein. Ich freue mich auf unsere Zukunft.
Mathilda
MATHILDAS BRIEF AN XAVER AUS DEM KRANKENHAUS
Mein lieber Xaver!
Ich diktiere diesen Brief meiner Freundin Silvia, da ich zu schwach bin, um selber zu schreiben und da ich mir auch beim Sprechen schwertue, wird der Brief nur kurz sein.
Am 14. Oktober, an dem Tag also, an dem du das Metallkästchen mit Dorothys Briefen und meinen Text fandest – das ist kein Scherz!! –, erhielt ich im Krankenhaus die Diagnose, dass ich an Brustkrebs erkrankt bin und nicht mehr lange zu leben habe. (Ja, so wie du es dir im Schluss für meine Geschichte ausgedacht hast!) Es klingt jetzt vielleicht eigenartig, aber der erste Gedanken, den ich hatte, war: »Es ist gut so, wie es ist!«, und der zweite Gedanke, der kam, war: »Ich möchte noch einmal Xaver sehen.«
Ein paar Tage zuvor hatte mir meine Bekannte Anita, die im Landesschulrat arbeitet, von dem geplanten Projekt »Schüler/in trifft Autor/in« erzählt und gesagt, dass zurzeit dafür österreichische Schriftsteller gesucht und angeschrieben werden. Nachdem ich die Diagnose erhalten hatte, bat ich sie, auch bei dir anzufragen, ob du bei dem Projekt mitmachen möchtest. Als sie deine positive Antwort erhielt, traf ich sie und sagte ihr, sie solle mir den Gefallen tun und dich meiner Schule zuweisen. (Auch das hast du dir ausgedacht, hast du es denn geahnt?) Jetzt, nachdem ich deinen Brief gelesen habe, verstehe ich auch ihr verschmitztes Lächeln und ihre Frage: »Na, eine alte Liebe?« Mehr sagte sie nicht, ich wusste also nicht, dass du vorher um dasselbe gebeten hast. Wir wollten uns also beide unbedingt wiedersehen und wollten, dass es jeweils der andere für einen Zufall hält! Ich musste lachen, als ich das in deinem Brief las.
Ich erzählte dir nichts von meiner Krankheit, es wäre mir unangenehm gewesen, wenn du gewusst hättest, dass ich nicht mehr lange lebe und dich deshalb wiedersehen wollte. Ich glaube, auch für dich wäre es unangenehm gewesen. Du hättest vielleicht nicht gewusst, wie du mit mir umgehen sollst, das wollte ich auf alle Fälle verhindern.
Auch ich freute mich wahnsinnig auf unser Wiedersehen. Auch ich sehnte mich mit aller Kraft danach, dir noch einmal gegenüberzustehen, dich zu umarmen, mit dir ein Glas Wein zu trinken, mit dir wie in alten Zeiten gemeinsam zu kochen, deine Geschichten zu hören und dir welche zu erzählen, mit dir zu reden und zu lachen. Auch ich habe die Tage mit dir sehr genossen, es gab nur einen Unterschied: Ich wusste, dass es das letzte Mal sein würde.
Zu deinem neuen Leben ohne die quälenden Geister der Vergangenheit wünsche ich dir viel Glück, Xaver, ich liebte dich immer.
Deine Mathilda
EPILOG
Gesendet: 25. Juni 2012
Von: Kulturservicestelle des Landes Tirol
Liebe Deutschlehrer/innen!
Die Kulturservicestelle möchte sich ganz herzlich für das Engagement aller beteiligten Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer beim Projekt »Schüler/in trifft Autor/in« bedanken! Das Feedback der Autor/inn/en war durchwegs sehr positiv und eine Wiederholung im nächsten Jahr wurde bereits erbeten. Die Werke der
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