Devil Riders 1 Herz im Sturm
„Das ist doch schrecklich!“
„Im Grunde nicht. Er hatte keinen Grund, ihr zu vertrauen. Ihre Untreue war beinahe genauso legendär wie seine.“
Callie runzelte die Stirn. „Aber woher ..." Sie verstummte. Um ein Haar hätte sie ihm eine höchst unziemliche Frage gestellt. Sie biss sich auf die Unterlippe.
„Woher ich weiß, dass ich wirklich der Sohn meines Vaters bin?“, kam er ihr zu Hilfe. „Übrigens, ich habe Sie doch schon davor gewarnt, sich auf die Lippe zu beißen - Sie machen das ganz falsch. Soll ich es Ihnen noch einmal zeigen, wie das richtig geht?“ Callies Wangen begannen zu glühen. „Lassen Sie das!“, zischte sie. „Nicht vor anderen Leuten!“
Er seufzte schwer. „Sie sind wirklich zu streng, wissen Sie. So, wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, Sie wollten wissen, wie ich sicher sein kann, doch nicht das Ergebnis eines Seitensprungs zu sein.“ Ehe sie ihm versichern konnte, dass sie so etwas Unschickliches niemals gefragt hätte, fuhr er fort: „Harry und ich haben einen Altersunterschied von ein paar Monaten, aber die Ähnlichkeit zwischen uns ist auffällig. Ist das eine Erklärung?“
Ja, das war es. Nachdem sie zwei verschiedene Mütter gehabt hatten, musste die Ähnlichkeit vom Vater stammen. Es erklärte jedoch nicht, warum er und Harry zusammen aufgewachsen waren, warum Großtante Gertie ihn großgezogen hatte und warum Harry ein wildes Kind gewesen war. Auf jeden Fall verstand sie jetzt, warum er sich selbst als anlehnungsbedürftiges Kind bezeichnet hatte. In einer so schrecklichen Situation wäre wahrscheinlich jedes Kind anlehnungsbedürftig gewesen. „Sie sagten, Sie und Harry wären zusammen aufgewachsen.“
„Ja, Großtante Gertie hat uns beide unter ihre Fittiche genommen.“ Wieder nickte er zu dem Porträt hinüber. „Die altjüngferliche Tante meines Vaters, eine kühne Tyrannin, vor der die meisten Leute panische Angst hatten.“
Callie betrachtete das Gemälde und konnte das durchaus nachvollziehen.
„Eines Tages erschien sie in der Londoner Residenz meiner Mutter, marschierte geradewegs ins Kinderzimmer und beschlagnahmte mich. Sie warf meiner Mutter vor, nicht imstande zu sein, irgendein Kind zu erziehen, schon gar nicht einen jungen Renfrew, und erklärte ihr, sie selbst würde das von nun an übernehmen. Sie schnappte mich - im wahrsten Sinn des Wortes, ich war damals sieben, glaube ich -, übergab mich wie ein Paket ihrem Lakaien und fuhr mit mir in ihrer Kutsche davon.“
Callie war entsetzt. „Aber hat Ihre Mutter sich denn nicht dagegen gewehrt?“
Er schüttelte leicht den Kopf. „Mama sagte kein Wort. Wahrscheinlich war sie erleichtert, mich aus dem Weg zu haben.“
Callie konnte nicht fassen, wie unbekümmert er darüber sprach. „Ich würde jeden umbringen, der versuchen würde, mir mein Kind wegzunehmen.“
Er lächelte. „Das glaube ich Ihnen aufs Wort. Aber Großtante Gertie war keine Frau, der man widersprechen konnte. Die meisten Leute hatten wirklich Angst vor ihr.“
„Kein Wunder, wenn sie sich so aufgeführt hat. Armer kleiner Junge. Sie müssen furchtbar erschrocken gewesen sein.“
Er spielte Trumpf. „Anfangs war ich das, doch es hat nicht lange gedauert, bis ich herausfand, dass Großtante Gertie hinter der Fassade der Tyrannin ein Herz aus purem Gold hatte. Sie war, schlicht ausgedrückt, ein echter Schatz.“ Er hob sein Brandyglas und prostete dem Gemälde zu. „Auf Großtante Gertie, die mich zu dem gemacht hat, was ich heute bin.“
Callie beobachtete die Schluckbewegungen seiner Kehle, während er trank. Großtante Gertie konnte wirklich stolz sein. „Und Harry, das wilde Kind?“, fragte sie nach einer Weile.
Er stellte das Glas ab. „Harry hatte viel Ähnlichkeit mit Jim, als ich ihm das erste Mal begegnet bin - ein wilder kleiner Gassenjunge. Doch Großtante Gertie erzog ihn - ihn und mich zusammen - und schickte uns in die ehemalige Schule unseres Vaters, sehr zu dessen Unmut. Er bewirkte, dass wir sie wieder verlassen mussten, sodass Großtante Gertie uns statt dessen nach Harrow schickte, was ihn fast genauso wütend machte.“ Er schmunzelte bei der Erinnerung. „Großtante Gertie war eine radikale Person; sie gab nichts auf die Allüren der Adeligen. Außerdem war sie ein entsetzlicher Snob; für sie war ein Renfrew - sogar ein unehelicher - jedem anderen Lebewesen überlegen. Sie hat mir ihr Vermögen hinterlassen, aber auch Harry hat von ihr geerbt. An mein Vermächtnis waren Dutzende
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