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Dexter

Dexter

Titel: Dexter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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schließlich eine sehr gute Schule, und vermutlich wurden dort Dinge gelehrt, die es nicht auf den Lehrplan der öffentlichen Schulen schafften. Ich trat aus dem Fach und begutachtete, was ich bis jetzt erreicht hatte. Es war nicht viel. Man sah eine Beule, aber nichts, das wirklich Anlass zur Hoffnung gab.
    »Sie werden schon lange hier sein, ehe es dir gelingt, auf diesem Weg zu entkommen«, sagte sie, und jemand, dem es an Nächstenliebe mangelte, hätte sie vielleicht schadenfroh genannt.
    »Kann sein«, erwiderte ich, als mein Blick auf das Kantholz fiel. Ich sagte nicht wirklich »Aha!«, aber ich erlebte gewisslich einen dieser Momente, in denen die Glühbirne aufflammt. Ich hob das Holz auf und zog den alten Nagel heraus, den ich mit dem stumpfen Ende in einen Riss an der Spitze des Pflocks klemmte, dann plazierte ich den Nagel in der Mitte der Delle, die ich erzeugt hatte. Mit einem bedeutungsvollen Blick zu Samantha schlug ich, so fest ich konnte, auf den Pflock.
    Es tat weh. Ich zog mir drei Splitter ein.
    »Ha«, sagte Samantha.
    Man sagt, hinter jedem erfolgreichen Mann stünde eine Frau, was wir zu hinter jedem fliehenden Dexter steht eine nervtötende Samantha erweitern können, denn ihre Befriedigung beim Anblick meines Scheiterns spornte mich zu geistigen Höchstleistungen an. Ich zog einen Schuh aus, legte ihn auf den Pflock und schlug probehalber darauf. Es tat nicht besonders weh, und ich war sicher, mit gezielten Schlägen ein Loch in den Boden treiben zu können.
    »Selber ha«, teilte ich Samantha mit.
    »Wie du meinst«, sagte sie und begab sich zurück in die Mitte des Wohnwagens, um dort erneut Platz zu nehmen.
    Ich machte mich wieder an die Arbeit, hämmerte mit aller Kraft auf meine Schuhsohle ein. Nach ein paar Minuten legte ich eine Pause ein und schaute nach; die Delle war wesentlich tiefer, und die Ränder zeigten erste Spannungsrisse. Die Nagelspitze war in das Metall eingedrungen, und innerhalb der nächsten Minuten würde vermutlich ein kleines Loch entstehen; beherzt machte ich mich wieder ans Werk. Nach zwei weiteren Minuten schien sich der Klang des Hämmerns zu verändern, deshalb zog ich den Pflock heraus und prüfte meine Fortschritte.
    Ein kleines Loch war entstanden, durch das Tageslicht schimmerte. Ich war überzeugt, dass es nur ein wenig Zeit und Mühe bedurfte, bis ich hindurchlangen, das Loch erweitern und mich auf den Weg machen konnte.
    Ich steckte den Nagel zurück in das Loch und hämmerte weiter. Ich spürte, wie er sich hindurchfraß, und beim nächsten Schlag versank der Pflock plötzlich mehrere Zentimeter tief im Metall. Ich stellte das Hämmern ein und bewegte das Holz vor und zurück, dehnte das Metall, vergrößerte die Öffnung, so gut es ging. Ich schuftete und zerrte und bog den Pflock zur Seite, ja, ich zog sogar meinen Schuh wieder an und trat dagegen, und nach zwanzig Minuten gab die Metallplatte den Kampf auf, und ich hatte einen Fluchtweg.
    Ich legte eine Pause ein und musterte das Loch, das ich geschaffen hatte. Ich war erschöpft, wund und schweißnass, aber nur noch einen Schritt von der Freiheit entfernt.
    »Ich bin gleich weg«, rief ich Samantha zu. »Das ist deine letzte Chance zur Flucht.«
    »Lebe wohl«, flötete sie. »Gute Reise.« Nach allem, was wir zusammen durchgemacht hatten, schien mir ihre Reaktion ein wenig herzlos, aber mehr durfte ich vermutlich nicht erwarten.
    »Okay«, erwiderte ich, stieg in das Fach und schob meine Beine durch die von mir erzeugte Öffnung. Meine Füße berührten den Boden, und ich wand den Rest von mir hindurch. Es war außerordentlich eng, und ich spürte, wie mein Hemd und meine Hose sich an den Kanten verfingen und rissen. Ich streckte die Arme über den Kopf und wand mich weiter, und innerhalb kürzester Zeit war ich draußen und saß auf dem warmen, feuchten Boden der Everglades. Ich spürte, wie meine Hose sich vollsog, aber es fühlte sich wunderbar an, viel besser als der Boden des Trailers.
    Ich atmete tief ein; ich war frei. Der Trailer stand auf einer Reihe von Zementblöcken, die an zwei Stellen von Öffnungen durchbrochen wurde, eine direkt neben mir und gegenüber der Wohnwagentür. Ich wälzte mich auf den Bauch und kroch hinüber. Doch als ich endlich den Kopf ins Tageslicht streckte und zu glauben begann, dass ich wirklich entkommen war, grub sich eine schwere Hand in meine Haare. »Das reicht jetzt, Arschloch«, knurrte eine Stimme, und ich spürte, wie ich hochgezogen wurde, nur

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