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Dexter

Dexter

Titel: Dexter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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Pferdeköpfe aus Fiberglas herausstellte. Bis ich daran vorbeigekrochen war und ihn zum äußeren Rand des Karussells geschoben hatte, war das Kreischen über mir verstummt.
    Ich wartete. Nichts geschah. Keine weiteren Schüsse. Niemand, der eine Haubitze abfeuerte. Keine Napalmbomben, die aus den Kabinen stürzten. Man hörte überhaupt kein Geräusch bis auf das dysfunktionale Rumpeln der alten, verrosteten Seilbahn. Ich wartete ein wenig länger. Etwas kitzelte an meiner Nase, und ich rieb sie; als ich die Hand zurückzog, war Blut daran, und einen sehr langen Moment starrte ich sie an, unfähig, zu denken, mich zu bewegen oder etwas anderes wahrzunehmen als diese grauenhafte rote Spur kostbarer Dexter-Flüssigkeit. Doch zum Glück fuhr mein Verstand wieder hoch, und ich wischte die Hand an meiner Hose ab und dachte nicht mehr daran. Offensichtlich war es passiert, als ich in Deckung gesprungen war und mir die Nase gestoßen hatte. Keine große Sache. In uns allen fließt Blut. Der Trick besteht darin, es im Inneren zu behalten.
    Ich schob mich in eine Position, aus der ich geschützt hinaussehen konnte, wobei ich den großen Pferdekopf die Neigung hoch als Deckung vor mir herschob und dann meine Pistole darauf stützte. Rechts von mir, wo ich Deborah zum letzten Mal gesehen hatte, schwebte eine demolierte Kabine vorbei. Es war kaum etwas von ihr übrig bis auf die Aufhängung und einem kleinen Stück des Metallgestänges, das Teil des Sitzes gewesen war. Sie schaukelte wie verrückt. Die nächste Kabine kroch in mein Blickfeld, und obgleich von ihr mehr übrig war, fehlten auch hier die Seitenwände, und sie war ebenfalls leer.
    Ich sah zu, wie weitere demolierte Kabinen vorüberzogen. Nur eine davon schien halbwegs heil genug, um einen Passagier aufzunehmen, aber auch sie rumpelte ereignislos vorbei. Allmählich begann ich mir ein wenig albern vorzukommen, zusammengekrümmt unter einem vergoldeten, abgewetzten, mit Leuchtfarbe eingesprühten Karussellpferd, meine Pistole auf eine Reihe kaputter und äußerst leerer Seilbahnkabinen gerichtet. Wieder schwebte eine verlassene, ramponierte Kabine vorbei – nichts. Und dennoch hatte ich ganz gewiss jemanden über mir gehört, und die Warnung des Passagiers war unmissverständlich gewesen. Dort draußen im Park, jenseits der sorglosen Erinnerungen an Buccaneer Land, lauerte etwas. Und es wusste, dass ich hier war.
    Ich atmete tief ein. Bobby war ganz eindeutig ebenfalls hier, und es klang, als sei er nicht allein. Aber in diese wackligen Seilbahnkabinen passten unmöglich mehr als zwei oder drei Personen. Wenn wir uns also an den ursprünglichen Plan hielten und weiter durch den Park liefen, sollten wir drei doch wohl in der Lage sein, es mit ein paar lausigen Kindern aufzunehmen. Kein Grund zur Besorgnis: Atme weiter, folge dem Plan, und du bist rechtzeitig für Letterman zu Hause. Ich schob mich rückwärts zum Rand des Karussells und hatte soeben ein Bein auf den Boden gestellt, als ich eine Art primitives Burschenschaft-Johlen vernahm – es kam von hinten, aus Richtung des Haupteingangs –, weshalb ich zurück zur Spindel, in den Schutz meines kopflosen Pferds rutschte.
    Ein paar Sekunden später hörte ich fröhliche Stimmen und das Geräusch vieler Füße, und als ich hinausspähte, lief eine Gruppe von acht bis zehn Leuten an mir vorbei. Die meisten waren in Bobby Acostas Alter, die Sorte munterer junger Ungeheuer, die wir im
Fang
gesehen hatten, möglicherweise sogar genau dieselben. Sie trugen schicke Freibeuterkostüme, die Roger dem Piraten sicher gefallen hätten. Aufgeregt und fröhlich eilten sie auf dem Weg zu ihrer Party vorüber, und ihnen voran, ein erstaunlich echt wirkendes Schwert hoch erhoben, lief der Muskelprotz mit Pferdeschwanz aus dem
Fang.
    Ich sah ihnen von meinem Versteck hinter dem enthaupteten Pferd nach, bis sie verschwunden waren und ich nichts mehr von ihnen hören konnte. Ich dachte nach, doch meine Gedankengänge waren nicht erfreulich. Die gesamte Situation hatte sich verändert, und unsere Chancen standen nicht mehr sonderlich gut. Ich bin wahrlich nicht besonders gesellig, aber dies schien genau der richtige Zeitpunkt, meine Gefährten zu suchen und mit ihnen ein wenig Überlebenszeit zu verbringen.
    Ich wartete noch eine Weile, um nicht von Nachzüglern überrascht zu werden, dann ließ ich mein Pferd zurück und wand mich langsam zum Rand des Karussells. Soweit ich erkennen konnte, waren alle fort, und der Park wirkte

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