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Dexter

Dexter

Titel: Dexter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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Aber es musste noch jemand an Bord sein. Am Heck war zwar eine große Steuerattrappe angebracht, doch ich wusste, dass das Schiff von der Kabine aus kontrolliert wurde. Damals hatte es unten sogar eine Lounge gegeben, mit einem Getränke-Kiosk. Dort unten musste jemand das Schiff steuern. Aber wie viele waren es? Nur Bobby Acosta? Oder genug von seinen Kannibalen-Freunden, um den Guten das Leben schwerzumachen, zu denen ich seltsamerweise zählte.
    Die Flagge knatterte. Über uns setzte ein Jet zum Landeanflug auf Fort Lauderdale an. Das Schiff krängte sanft. Und dann rollte Samanthas Kopf zur anderen Seite, die Kanonen feuerten eine weitere blutleere Breitseite ab, und die Tür zum Kabinenaufgang sprang auf. Bobby Acosta, ein Tuch um den Kopf geschlungen und eine völlig unpiratische Glock in der erhobenen Hand, kam an Deck. »Juhu!«, brüllte er und feuerte zwei Schüsse in die Luft, während ihm ein kleines Grüppchen munter wirkender Partybesucher in seinem Alter, Männer und Frauen, aufs Deck folgte. Sie alle trugen Piratenkostüme, und sie alle marschierten direkt zu dem großen Topf neben Samantha, schöpften dessen Inhalt in Becher und kippten ihn herunter.
    Während sie sich fröhlich und sorglos ihren Vergnügungen hingaben, keimte in mir ein winziger Hoffnungsschimmer. Sicher, sie waren zu fünft und wir nur zu dritt, aber sie waren eindeutig Leichtgewichte, und sie tranken etwas, von dem ich mit ziemlicher Sicherheit annahm, dass es diese berauschende Bowle war, die sie so gern mochten. Innerhalb weniger Minuten würden sie high sein, albern, und keine Gefahr mehr darstellen. Wo immer der Rest der Party steckte, dieses Grüppchen war ein Leichtes. Wir drei konnten unsere Deckung verlassen und sie festnehmen. Deborah hätte erreicht, weswegen sie gekommen war, wir konnten uns davonstehlen und um Hilfe rufen, und Dexter durfte sich erneut der Neuerfindung normalen Lebens widmen.
    Und dann sprang die Tür erneut auf, und Alana Acosta glitt an Deck.
    Gefolgt von dem Muskelprotz mit Pferdeschwanz aus dem
Fang
und drei widerlich aussehenden Männern mit Schrotflinten, und wieder verwandelte sich die Welt in einen düsteren und gefährlichen Ort.
    Dass Alana ein Raubtier war, wusste ich, seit mich der Dunkle Passagier gewarnt hatte, als wir neben ihrem Ferrari standen. Ihr Anblick jetzt bewies mir, dass mein Bruder Brian recht gehabt hatte. Oberhaupt des Zirkels war eine Frau, und sie hieß Alana Acosta. Sie hatte uns nicht nur eine Falle gestellt, sondern uns gleichzeitig zum Essen eingeladen. Und falls mir nicht bald ein gerissener Einfall kam, stand ich auf der Speisekarte.
     
    Alana schritt direkt zur Reling und blickte hinaus in den Park, mehr oder weniger zwischen mir und der Stelle hindurch, an der ich Deborah vermutete, und rief: »Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?« Sie drehte sich um und nickte ihrem Gefolge zu, das gehorsam die Schrotflinten auf Samanthas Kopf richtete. »Keiner«, brüllte Alana fröhlich.
    Ihr bizarres Jodeln über schwarze Männer war offensichtlich irgendein britisches Kinderritual, mit dem man alle zusammenrief: Das Spiel ist vorbei, zurück auf Los. Sie hielt uns offensichtlich für Kinder, und darüber hinaus für unglaublich einfältige Kinder, da sie annahm, dass wir gehorsam aus unseren schwer errungenen Verstecken schlüpften und ihr in die Fänge stolperten.
    Doch als ich gerade begann, mich auf ein ausgedehntes Katz-und-Maus-Spiel einzurichten, hörte ich rechts von mir einen Schrei, und einen Moment später erblickte ich zu meinem Entsetzen Deborah. Sie war anscheinend so besessen davon, Samantha zu retten – schon wieder! –, dass sie nicht einmal zwei Sekunden an die Konsequenzen ihres Handelns dachte. Sie sprang einfach aus ihrem Versteck, rannte zum Schiff und sauste über die Mole, um sich auszuliefern. Sie stand mit trotzigem Blick unter mir, dann zog sie vollkommen freiwillig ihre Waffe aus dem Hosenbund und warf sie zu Boden.
    Alana genoss den Auftritt offensichtlich sehr. Sie trat näher, um Deborah voller Schadenfreude zu mustern, dann wandte sie sich ab und sagte etwas zu dem Muskelprotz. Einen Moment später schob er ein altersschwaches Fallreep über die Schiffswand und ließ es auf die Mole krachen.
    »Kommen Sie an Bord, meine Liebe«, rief Alana Deborah zu. »Über das Fallreep.«
    Deborah rührte sich nicht. »Tun Sie dem Mädchen nicht weh«, sagte sie.
    Alana lächelte strahlend. »Aber sie
will,
dass wir ihr weh tun; ist Ihnen das nicht

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