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Dexter

Dexter

Titel: Dexter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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verlorene Patrouille auf ihrer Mission im Land des zweitklassigen Films. Zu Deborahs Ehre sei gesagt, dass sie sich sehr vorsichtig verhielt. Sie bewegte sich verstohlen von einer Deckung zur nächsten und vergewisserte sich regelmäßig Chutskys und meiner Position. Mittlerweile konnte man sie kaum noch erkennen, da die Sonne endgültig untergegangen war, was aber wenigstens bedeutete, dass auch
wir
für
die anderen
nur schwer zu erkennen waren – wer immer diese
anderen
sein mochten.
    So bewegten wir uns durch den vorderen Teil des Parks, an den ehemaligen Souvenirständen vorbei, und dann erreichte ich das erste Fahrgeschäft, ein altes Karussell. Es war von seiner Spindel gerutscht und lag auf der Seite. Es war ramponiert und verblichen, und jemand hatte den Pferden die Köpfe abgeschlagen und alles mit grüner und oranger Leuchtfarbe eingesprüht, insgesamt einer der traurigsten Anblicke, die mir je zuteilgeworden sind. Ich umrundete es vorsichtig mit vorgehaltener Waffe und spähte hinter alles, was groß genug war, um einen Kannibalen zu verbergen.
    Auf der anderen Seite des Karussells angekommen, schaute ich nach rechts. In der zunehmenden Dunkelheit konnte ich Debs kaum mehr erkennen. Sie stand im Schatten eines der großen Pfeiler der Seilbahn, die quer durch den Park führte. Chutsky konnte ich nicht mehr sehen; wo er hätte sein sollen, stand eine Reihe baufälliger Buden entlang einer Gokart-Bahn. Ich hoffte, dass er dort war, wachsam und gefährlich. Für den Fall, dass uns etwas ansprang und »buh« kreischte, hätte ich ihn gern dort gewusst, das Sturmgewehr im Anschlag.
    Doch sah man keine Spur von ihm, und während ich noch nach ihm Ausschau hielt, bewegte sich Deborah weiter voran, tiefer in den dunklen Park. Eine warme Brise strich über mich hinweg, und ich roch den nächtlichen Duft Miamis: ein Hauch von Salz am Rand verrottender Vegetation und Autoabgase. Doch noch während ich die vertrauten Gerüche atmete, spürte ich, wie sich die Härchen in meinem Nacken aufstellten, und ein leises Wispern drang aus den tiefsten Verliesen von Burg Dexter, während ledrige Schwingen die Wälle streiften. Ein klarer Hinweis, dass etwas absolut nicht stimmte und dies ein großartiger Zeitpunkt war, woanders zu sein; ich erstarrte neben den kopflosen Pferden und suchte nach dem, was die Warnung des Passagiers ausgelöst hatte.
    Ich sah und hörte nichts. Deborah war in der Dunkelheit verschwunden, und nichts regte sich, abgesehen von einer Plastiktüte, die von der sanften Brise über den Boden getrieben wurde. Mein Magen machte sich bemerkbar, und ausnahmsweise lag es nicht daran, dass ich hungrig war.
    Meine Pistole wirkte plötzlich klein und unzulänglich, und noch mehr als nach dem nächsten Atemzug sehnte ich mich danach, aus dem Park zu verschwinden. Der Passagier mochte beleidigt sein, aber er würde mich nicht ins Verderben laufen lassen, und er irrte sich nie, nicht, wenn er so deutlich warnte. Ich musste unbedingt Deborah finden und uns hier rausschaffen, ehe was auch immer zuschlug.
    Aber wie sollte ich sie überzeugen? Sie war dermaßen entschlossen, Samantha zu finden und Bobby einzufangen, dass sie nicht auf mich hören würde, selbst wenn mir eine Erklärung einfallen sollte, warum ich wusste, dass alles entsetzlich schieflaufen würde. Doch während ich noch meine Pistole umklammerte und zögerte, wurde mir die Entscheidung abgenommen. Man hörte ein gigantisches Krachen, dann war der Park plötzlich hell erleuchtet, der Boden erzitterte, rostiges Metall kreischte auf, und ich vernahm ein Rasseln und Ächzen …
    Und die Seilbahn über mir setzte sich in Bewegung.
    Ich verschwendete eine lange, kostbare Sekunde damit, nach oben zu gaffen und mir all die grauenvollen Dinge auszumalen, die jemand, der über mir vorbeifuhr, auf meinen Kopf regnen lassen konnte. Ich erlebte einen weiteren wahrhaft schrecklichen Moment, als widerwärtiger Altruismus sein Haupt erhob und ich nach links schaute, um mich zu vergewissern, dass bei Deborah alles in Ordnung war; sie war spurlos verschwunden. Und dann erklang in einer der Kabinen über mir ein Schuss und ein glückliches, wildes Kreischen, der Schrei eines Jägers, der seine Beute entdeckt hatte, und ich fand meinen Selbsterhaltungstrieb wieder und warf mich unter die dunkle Kuppel des Karussells. In meiner Eile, mich unter eins der Pferde zu quetschen, schlug ich mir die Nase an einem großen, harten Gegenstand, der sich als einer der abgeschlagenen

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