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Dexter

Dexter

Titel: Dexter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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auswachsen, da es nicht schrecklich klug war, anderen so tief zu vertrauen. Andererseits erfüllte es mich mit tiefem Staunen und der Entschlossenheit, sie vor allen anderen Untieren der Nacht zu schützen.
    Ich ertappte mich dabei, regelmäßig an Lily Annes Köpfchen zu schnüffeln – ein nachweisbar seltsames Verhalten, ich weiß, aber nach allem, was ich gelernt hatte, vollkommen in Einklang mit meiner neuen menschlichen Persönlichkeit. Der Duft war bemerkenswert, völlig anders als alles, was ich jemals gerochen hatte. Ein fast nicht wahrnehmbarer Duft, der nicht wirklich in Kategorien wie »süß« oder »feucht« fiel, aber dennoch Elemente von beidem enthielt – und mehr und nichts. Ich schnüffelte und war nicht in der Lage zu benennen, was ich roch, und dann schnüffelte ich erneut, nur, weil ich es wollte, und plötzlich stieg ein neuer Duft aus dem Bereich der Windel auf, ein Geruch, der mühelos zu identifizieren war.
    Eine Windel zu wechseln ist nicht so schlimm, wie es klingt, und mir machte es absolut nichts aus. Ich meine damit nicht, dass ich es als Zweitkarriere in Erwägung zog, aber zumindest im Fall von Lily Annes Windel gehörte es zu den Dingen, unter denen ich nicht sonderlich litt – auf gewisse Weise machte es sogar Freude, weil ich ihr einen sehr speziellen und notwendigen Dienst erweisen konnte. Zu meiner Freude trug nicht unerheblich bei, dass Rita wie ein Sturzbomber heranraste, vermutlich, um sich zu vergewissern, dass ich das Baby nicht versehentlich kochte, aber dann, als sie meine ruhige Kompetenz bemerkte, stehen blieb und einfach zusah. Ich spürte ein warmes Glühen der Befriedigung, als ich fertig war, sie das Baby vom Wickeltisch nahm und nur sagte: »Danke, Dexter.«
    Während Rita Lily Anne fütterte, kehrte ich zum Fernsehen zurück und sah mir ein paar Minuten ein Eishockeyspiel an. Es war enttäuschend: Erstens lagen die Panthers schon drei Tore zurück, und zweitens gab es keine Raufereien. Ursprünglich hatte ich mich für das Spiel wegen des unverhohlenen und lobenswerten Blutdursts interessiert, den die Spieler zur Schau stellten. Nun jedoch ging mir auf, dass ich solche Dinge eigentlich mit einem Stirnrunzeln betrachten sollte. Das neue Ich, der Windeln wechselnde Daddy Dexter, hatte starke Vorbehalte gegen Gewalt und durfte einen Sport wie Eishockey keineswegs befürworten. Vielleicht konnte ich zu Bowling wechseln. Es schien furchtbar langweilig, doch floss dabei kein Blut, und es war sicherlich aufregender als Golf.
    Ehe ich zu einer Entscheidung gelangen konnte, kam Rita mit Lily Anne zurück. »Möchtest du sie gern ihr Bäuerchen machen lassen, Dexter?«, fragte sie mit madonnenhaftem Lächeln – die Madonna auf den Gemälden, nicht die mit dem raffinierten BH .
    »Nichts täte ich lieber«, erwiderte ich, was seltsamerweise der Wahrheit entsprach.
    Ich legte mir ein kleines Handtuch über die Schulter und das Baby mit dem Gesicht nach unten darüber. Und erneut war es nicht im Geringsten furchtbar, als Lily Anne ihre zarten Rülpser produzierte und Milchbläschen heraus- und auf das Handtuch rannen. Ich beglückwünschte sie murmelnd bei jedem leisen
Örps,
bis sie wieder eindöste und ich sie umdrehte, an meiner Brust hielt und sanft hin- und herwiegte.
    So saß ich da, als Brian gegen neun Uhr Cody und Astor nach Hause brachte. Eigentlich hatten sie damit ein wenig überzogen, denn um neun war Schlafenszeit, und jetzt würden die Kinder mindestens eine Viertelstunde später zu Bett gehen. Doch Rita schien es nicht zu stören, und es wäre kleinlich gewesen, mich zu beschweren, da sie sich doch offensichtlich amüsiert hatten. Selbst Cody lächelte nahezu, und ich nahm mir vor, herauszufinden, zu welchem Chinesen Brian sie mitgenommen hatte, um dieses Ergebnis zu erzielen.
    Mit Lily Anne auf dem Arm befand ich mich ein wenig im Hintertreffen, aber als Rita die beiden älteren Kinder zum Zähneputzen und Schlafanzuganziehen scheuchte, erhob ich mich auf ein freundliches Wort mit meinem Bruder, der neben der Tür stand und stille Zufriedenheit verströmte. »Tja«, setzte ich an, »sieht aus, als hätten sie sich gut amüsiert.«
    »Oh ja«, bestätigte er mit diesem fürchterlichen falschen Lächeln. »Bemerkenswerte Kinder, alle beide.«
    »Haben sie Frühlingsrollen gegessen?«, fragte ich, worauf Brian mich einen Moment vollkommen verständnislos ansah.
    »Frühling… oh ja, sie haben alles verschlungen, was ich ihnen vorgesetzt habe«, erwiderte

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