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Dexter

Dexter

Titel: Dexter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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Straßenrand standen noch zwei große Vans auf dem kleinen, ungeteerten Parkplatz. An einem hing ein kleiner Anhänger. Ein Rudel von etwa fünfzehn halbwüchsigen Jungen und drei Erwachsenen in Pfadfinderuniformen drängte sich um die Vans, und jetzt fielen mir auch die zwei Detectives auf, die einen nach dem anderen befragten.
    Vince tippte einem Streifenpolizisten, der am Straßenrand den Verkehr regelte, auf die Schulter.
    »Hallo Rosen«, grüßte Vince. »Was machen die Pfadfinder hier?«
    »Sie haben es gefunden. Wollten heute Morgen zu einem Campingausflug aufbrechen«, antwortete Rosen und rief einem Wagen »Weiterfahren!« zu, der abgebremst hatte, um zu gaffen.
    »
Was
gefunden?«, fragte Vince.
    »Ich regle nur den Scheißverkehr«, antwortete Rosen säuerlich. »Ihr seid die, die mit den Leichen spielen dürfen. Los, weiterfahren«, ermahnte er den nächsten Gaffer.
    »Wo müssen wir hin?«, fragte Vince.
    Rosen zeigte zum anderen Ende des Parkplatzes und wandte sich ab. Ich nehme an, hätte ich den Verkehr regeln müssen, während andere mit den Leichen spielen durften, wäre ich ebenfalls ein wenig säuerlich gewesen.
    Wir liefen an den Pfadfindern vorbei zur Mündung des Wanderwegs. Sie mussten dort draußen etwas wahrlich Grauenhaftes entdeckt haben, aber sie wirkten weder sonderlich schockiert noch verängstigt. Tatsächlich kicherten sie und schubsten einander, als wäre heute eine Art besonderer Feiertag, und ich bedauerte, nie bei den Pfadfindern gewesen zu sein. Vielleicht hätte ich eine Ehrennadel für das Recycling von Körperteilen erhalten.
    Wir gingen den Pfad hinunter, der nach Süden zwischen die Bäume führte und sich dann eine halbe Meile nach Westen schlängelte, ehe er in eine Lichtung mündete. Als wir dort ankamen, schwitzte Vince und atmete schwer, aber ich war richtiggehend ungeduldig, da eine leise Stimme mir zugeraunt hatte, dass mich etwas äußerst Sehenswertes erwartete.
    Doch auf den ersten Blick gab es nur wenig zu sehen, nur eine große, zerstampfte Fläche um eine Feuerstelle und links vom Feuer eine kleine, undefinierbare Erhebung, die ich hinter Camilla Figgs gebückter Gestalt nicht richtig erkennen konnte. Was immer es war, löste beim Dunklen Passagier ein ledrig schwirrendes Interesse aus, und so trat ich mit einem Hauch Eifer vor – für einen Moment komplett vergessend, dass ich diesen Düsteren Freuden abgeschworen hatte.
    »Hi, Camilla«, grüßte ich im Nähertreten. »Was haben wir hier?« Umgehend errötete sie heftig, was aus mir unerfindlichen Gründen zu ihrem üblichen Repertoire zählte, wenn ich sie ansprach.
    »Knochen«, antwortete sie leise.
    »Keine Chance, dass sie von einem Schwein oder einer Ziege stammen?«
    Sie schüttelte heftig den Kopf und hielt mit der behandschuhten Hand etwas hoch, das ich als menschlichen Oberschenkelknochen zu erkennen glaubte, was nicht besonders lustig war. »Keine Chance.«
    »Nun denn«, sagte ich, während ich die Brandspuren am Knochen registrierte und dem munteren scharfen Kichern in meinem Inneren lauschte. Ich konnte nicht erkennen, ob man sie nach Eintritt des Todes verbrannt hatte, um Spuren zu vernichten, oder …
    Ich sah mich auf der Lichtung um. Der Boden war flach gestampft; Hunderte von Fußspuren zeugten von einer großen Party, und ich konnte mir nicht vorstellen, dass es die Pfadfinder gewesen waren. Sie waren erst an diesem Morgen eingetroffen und hatten keine Zeit gehabt, etwas in dieser Art zu veranstalten. Die Lichtung wirkte, als seien sehr viele Menschen mehrere Stunden lang äußerst aktiv gewesen. Sie hatten nicht nur herumgestanden, sondern sich bewegt, waren auf und ab gesprungen und hatten randaliert. Und zwar rund um die Feuerstelle, in der die Knochen lagen, als ob …
    Ich schloss die Augen und meinte es beinahe vor mir zu sehen, während ich dem Anschwellen des reptilienhaften Klangs meiner leisen und tödlichen inneren Stimme lauschte. Sieh hin, sagte sie, und in dem kleinen Rahmen, den sie mir präsentierte, sah ich eine große, feiernde Menge. Ein einsames Opfer, gefesselt am Feuer. Keine Folter, sondern eine Hinrichtung, ausgeführt von einer Person – während alle anderen zusahen und feierten? War das möglich?
    Der Passagier antwortete feixend. Ja, sagte er.
Oh, absolut.
Tanzen, singen, feiern. Jede Menge Bier, jede Menge Essen. Ein schönes altmodisches Grillfest.
    »He«, sagte ich zu Camilla, nachdem ich die Augen wieder geöffnet hatte. »Sind auf den Knochen so was

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