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Dexter

Dexter

Titel: Dexter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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er, und die ominöse Freude in seinem Ton machte mir klar, dass wir nicht übers Essen sprachen.
    »Brian«, sagte ich, aber weiter kam ich nicht, da Rita hereinwirbelte.
    »Oh, Brian«, rief sie, während sie mir Lily Anne aus den Armen riss. »Ich weiß nicht, was in aller Welt du gemacht hast, aber die Kinder fanden es wunderbar. So habe ich sie noch nie erlebt.«
    »Das Vergnügen war ganz auf meiner Seite«, erwiderte er, und winzige Eiszapfen erblühten auf meinem Rückgrat.
    »Möchtest du dich noch einen Moment setzen?«, bot Rita an. »Ich könnte Kaffee kochen, oder ein Glas Wein …?«
    »Oh nein«, sagte er aufgeräumt. »Ich danke dir, meine Liebe, aber ich muss los. Ob du es glaubst oder nicht, ich habe heute Abend eine Verabredung.«
    »Oh!« Rita errötete schuldbewusst. »Ich hoffe, du hast nicht … Ich meine, wegen der Kinder, und du hättest … Du solltest nicht …«
    »Nicht im mindesten«, antwortete Brian, als ergäbe ihr Gestammel Sinn. »Ich habe viel Zeit. Aber nun muss ich mich verabschieden.«
    »Nun«, meinte Rita. »Wenn du sicher bist, dass … Ich kann dir gar nicht genug danken, weil …«
    »Mom!«, rief Astor vom Ende des Flurs.
    »Ach je«, sagte Rita. »Entschuldige, dass … Ich danke dir, Brian.« Und sie beugte sich vor und küsste ihn auf die Wange.
    »War mir ein Vergnügen«, wiederholte Brian, und Rita lächelte und eilte zu Cody und Astor.
    Brian und ich sahen einander an, und obwohl es viel gab, was ich ihm gern gesagt hätte, wusste ich eigentlich nicht, was genau, geschweige denn, wie. »Brian«, setzte ich noch einmal an, aber das war es dann auch, und er lächelte dieses schrecklich falsche, wissende Lächeln.
    »Ich weiß«, sagte er. »Aber ich habe wirklich eine Verabredung.« Er wandte sich ab und öffnete die Haustür, dann sah er sich noch einmal zu mir um. »Es sind wirklich bemerkenswerte Kinder«, wiederholte er. »Gute Nacht, Bruder.«
    Er verschwand durch die Tür in die Nacht und ließ mich mit nichts zurück als dem Nachglühen seines fürchterlichen Lächelns und dem unbehaglichen Gefühl, dass etwas sehr Übles vorging.

[home]
    14
    I ch war hocherpicht darauf herauszufinden, was mein Bruder und die Kinder unternommen hatten, doch Rita scheuchte sie ins Bett, ehe ich mit ihnen sprechen konnte. Unbefriedigt ging ich schlafen. Auch am nächsten Morgen ergab sich keine Gelegenheit, unter sechs Augen mit ihnen zu reden. Eine absolut zwingende Bedingung, denn falls etwas anderes als chinesisches Essen zur Sprache kommen sollte, schien es mir wenig sinnvoll, dass Rita es hörte.
    Außerdem waren die Kinder vermutlich davor gewarnt worden, etwas zu erzählen, wenn ich Brian richtig einschätzte – wobei ich ihn kaum kannte, wenn man es genau betrachtete. Ich meine, ich wusste, wie er unter bestimmten Umständen dachte und handelte, aber jenseits dessen – wer war er? Was erwartete er vom Leben, abgesehen von gelegentlichen munteren Metzeleien? Ich hatte keine Vorstellung, und daran änderte sich auch nichts, obwohl ich während des gesamten Frühstücks und auf dem Weg zur Arbeit darüber nachgrübelte.
    Zum Glück für meine Selbstachtung blieb mir weiteres Grübeln über meine Unfähigkeit, meinen Bruder einzuschätzen, erspart, denn als ich im ersten Stock in der Pathologie eintraf, summte die Abteilung in jener abgefahrenen Ekstase, die nur ein wahrhaft interessantes Verbrechen auslösen kann. Camilla Figg, eine untersetzte Technikerin der Spurensicherung um die dreißig, sauste, ihre Ausrüstung umklammernd, an mir vorbei und errötete nicht einmal, als sie meinen Arm streifte. Und als ich das Labor betrat, sprang Vince Masuoka bereits munter umher und stopfte Dinge in seine Tasche.
    »Hast du einen Tropenhelm?«, rief er mir entgegen.
    »Wieso sollte ich? Welch seltsames Ansinnen.«
    »Du könntest einen brauchen«, verkündete er. »Wir gehen auf Safari.«
    »Oh, wieder einmal Kendall?«
    »Everglades«, korrigierte er. »Gestern Nacht ist da was ziemlich Wildes abgegangen.«
    »Ungawa«, rief ich. »Ich nehme Mückenspray mit.«
    Und so kletterte ich eine Stunde später aus Vince’ Auto und stand neben der Route 41 in den Everglades, nur ein paar Meilen entfernt von Fortymile Bend. In diesem Gebiet war ich als Teenager mit Harry Zelten gegangen, und ich hegte einige glückliche Erinnerungen daran, in denen auch mehrere kleine Tiere eine Rolle spielten, die zu meiner Erziehung beigetragen hatten.
    Außer den offiziellen Fahrzeugen am

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