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Dexter

Dexter

Titel: Dexter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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nichts.
    »Debs?«, fragte ich.
    »Ich bin unterwegs«, antwortete sie mit einem Hauch des alten Feuers in ihrer Stimme, und ich klappte befriedigt mein Handy zu. Aber ehe ich es einstecken und mich an die Arbeit machen konnte, hörte ich jemanden hinter mir kreischen,
»Scheiiiiße!«,
und dann brach ein Schusswechsel los. Ich warf mich zu Boden und versuchte, mich hinter meinem Analysekoffer zu verstecken, was sich angesichts der Tatsache, dass er in etwa so groß ist wie eine Vesperbox, als ziemlich schwierig erwies. Aus dieser mageren Deckung heraus spähte ich hinüber zu den Schützen, halb in Erwartung einer Horde angreifender Maori-Krieger mit erhobenen Speeren und heraushängenden Zungen. Was ich stattdessen erblickte, war kaum weniger unwahrscheinlich.
    Die Officer, die eben noch herumgestanden hatten, waren sämtlich in Schlachtposition gegangen und feuerten panisch auf ein Gebüsch in der Nähe. Im Gegensatz zum empfohlenen Verfahren waren ihre Mienen keineswegs zu kalten, grimmigen Masken erstarrt, sondern wirkten wild und verängstigt. Einer der Detectives warf bereits den leeren Munitionsstreifen aus und versuchte hektisch, den nächsten hineinzuschieben, während die Übrigen mit berserkerhafter Hingabe weiterfeuerten.
    Das Gebüsch, das sie anscheinend zu töten versuchten, begann spastisch zu schwanken, und ich sah etwas Silbergelbes aufblitzen. Es glitzerte kurz im Sonnenschein und war dann verschwunden, aber die Officer feuerten noch mehrere Sekunden weiter, bis Lieutenant Keane endlich herüberrannte und sie anbrüllte, das Feuer einzustellen. »Was zum Teufel ist los mit euch, ihr verdammten Idioten«, brülle Keane sie an.
    »Lieutenant, ich schwöre bei Gott«, sagte einer von ihnen.
    »Eine Schlange«, assistierte ein Zweiter. »Eine verdammt riesige Schlange!«
    »Eine Schlange«, wiederholte Keane. »Soll ich sie für euch tottreten?«
    »Haben Sie echt so große Füße?«, fragte ein dritter Mann. »Es war ein Tigerpython, ungefähr sechs Meter lang.«
    »Ach, scheiße«, fluchte Keane. »Stehen die unter Naturschutz?«
    Mir wurde bewusst, dass ich noch immer auf dem Boden lag, deshalb erhob ich mich, als der Mann vom FDLE zu uns herüberschlenderte. »Eigentlich denkt man gerade über eine Belohnung für diese bösen Jungs nach«, antwortete der FDLE -Typ. »Falls einer von euch Scharfschützen Glück genug hatte, sie zu treffen.«
    »Ich hab sie getroffen«, behauptete der dritte Mann mürrisch.
    »Bockmist«, widersprach einer der anderen. »Du triffst ja nicht mal Scheiße, wenn du in sie reintrittst.«
    Der riesige Schwarze wanderte hinüber zu dem Gebüsch, warf einen Blick dahinter, drehte sich zu der Truppe Nicht-Präzisionsschützen um und schüttelte den Kopf. Da sich die Aufregung offenkundig gelegt hatte, schnappte ich mir meinen Koffer und ging zurück zur Feuerstelle.
    Es gab eine erstaunliche Menge Blutspuren für mich, und innerhalb kürzester Zeit war ich fröhlich am Werk, um Sinn in das eklige Zeug zu bringen. Es war noch nicht vollkommen trocken, vermutlich wegen der hohen Luftfeuchtigkeit, aber ein großer Teil war im Boden versickert, da es seit geraumer Zeit nicht geregnet hatte und der Boden trotz der Luftfeuchtigkeit ziemlich ausgetrocknet war. Ich nahm ein paar anständige Proben für die Laboranalyse und versuchte, mir ein Bild der vermutlichen Ereignisse zu machen.
    Die größte Menge an Blut fand sich in einem begrenzten Bereich direkt an der Feuerstelle. Ich suchte in immer größer werdenden Kreisen, aber die einzigen Spuren, die ich weiter als zwei Meter entfernt fand, schienen von Schuhen herzurühren. Ich markierte die Stellen in der vagen Hoffnung, dass jemand einen identifizierbaren Fußabdruck nehmen konnte, und wandte mich wieder den Hauptspuren zu. Das Blut war aus dem Opfer
geflossen,
nicht gespritzt, wie es bei einer Schnittwunde der Fall gewesen wäre. Außerdem gab es keine Sekundärspritzer, was bedeutete, dass es eine einzelne Wunde gewesen war, wie beim Ausbluten eines Hirschs – niemand war vorgesprungen und hatte zugestochen oder geschlitzt. Es handelte sich um eine langsame, bewusste Tötung, buchstäblich eine Schlachtung, ausgeführt von einer Einzelperson, sehr kontrolliert und geschäftsmäßig, und ich stellte bei mir eine gewisse widerstrebende Bewunderung der Ausführung fest. Diese Art der Zurückhaltung war sehr schwer, wie ich sehr wohl wusste – und das auch noch vor einer Zuschauermenge, die vermutlich trunkene

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