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Dexter

Dexter

Titel: Dexter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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ihn ignorierte und in den Flur trat.
    Und beinahe Sergeant Doakes umrannte – oder zumindest das, was von ihm übrig war.
    Doakes hasste mich seit jeher, schon ehe ein durchgedrehter Arzt ihm Hände, Füße und Zunge entfernt hatte und ich zu spät zu seiner Rettung erschien. Ich meine, ich hatte es versucht – ehrlich –, aber es war nicht besonders gut gelaufen, und als direkte Folge hatte Doakes einige überschätzte Körperteile eingebüßt. Und auch davor hatte er mich bereits gehasst, weil er von allen Polizisten, die ich jemals kennengelernt habe, der Einzige war, der eine Ahnung davon hatte, was ich bin. Ich hatte ihm keinen Anlass dazu gegeben, geschweige denn Beweise, aber irgendwie
wusste
er es einfach.
    Und jetzt stand er dort auf seinen künstlichen Füßen und funkelte mich mit dem Gift von tausend Kobras an. Einen Moment lang wünschte ich, der irre Doktor hätte ihm auch die Augen genommen, aber dann wurde mir rasch bewusst, wie wenig nett dieser Gedanke war, weshalb ich ihn freundlich anlächelte. »Sergeant Doakes«, grüßte ich. »Wie schön, Sie zu sehen, so behende und munter.«
    Doakes tat überhaupt nichts, er starrte mich einfach an, und ich sah hinunter zu den silbernen Metallklauen, die ihm die Hände ersetzten. Die Sprachbox in der Größe eines Notizbuchs, die er sonst mit sich herumschleppte, fehlte – vielleicht wollte er beide Klauen frei haben, um mich zu erwürgen, oder er plante ebenfalls einen Gang zu den Automaten, was wahrscheinlicher war. Da er keine Zunge mehr hatte, waren seine Versuche, ohne das Übersetzungsgerät zu sprechen, so peinlich – ein »ng« reihte sich ans andere und so weiter –, dass er vermutlich nicht riskieren wollte, sich lächerlich zu machen. Deshalb starrte er mich nur einen Moment an, bis die Hoffnung auf eine anregende Begegnung in mir erstarb.
    »Tja«, sagte ich, »war nett, mit Ihnen zu plaudern. Schönen Tag noch.« Ich spazierte zu meinem Labor davon, wobei ich mich nur ein einziges Mal umdrehte. Doakes verfolgte mich nach wie vor mit seinem giftigen Blick.
    Ich hab’s dir doch gesagt,
feixte die leise Stimme des Passagiers, doch ich winkte Doakes einfach zu und kehrte ins Labor zurück.
    Als Vince und die anderen gegen fünfzehn Uhr wieder auftauchten, lag mir der Geschmack der Cracker noch unangenehm auf der Zunge.
    »Wow«, rief Vince beim Eintreten und ließ seine Tasche zu Boden fallen. »Ich glaube, ich habe einen Sonnenbrand.«
    »Was hast du zu Mittag gegessen?«, erkundigte ich mich.
    Er zwinkerte, als hätte ich ihm eine dumme Frage gestellt, und vielleicht hatte ich das auch. »Einer von den Polizisten hat was bei Burger King geholt. Warum?«
    »Dir hat der Gedanke an das arme Mädchen, das dort gegrillt und verspeist wurde, nicht den Appetit verschlagen?«
    Vince sah noch verblüffter drein. »Nein«, erwiderte er und schüttelte langsam den Kopf. »Ich hatte einen Doppel-Whopper mit Käse und Pommes. Alles in Ordnung mit dir?«
    »Ich habe nur Hunger«, sagte ich. Er betrachtete mich noch einen Moment, doch da ich nicht die geringste Lust auf einen Starr-Wettbewerb verspürte, wandte ich mich ab und ging wieder an die Arbeit.

[home]
    16
    E s war noch dunkel, als das Telefon mich weckte und ich mich herumwälzte, um einen Blick auf den Radiowecker neben dem Bett zu werfen. Mit anstößig fröhlichem Leuchten besagte er 4 : 47  Uhr. Ich hatte seit Lily Annes letztem Weinen genau zwanzig Minuten echten Schlaf genossen und schätzte den Weckruf ganz und gar nicht. Wider besseres Wissen hoffend, dass das Klingeln die Kleine nicht wieder geweckt hatte, griff ich nach dem Hörer. »Hallo.«
    »Du musst früh kommen«, verkündete die Stimme meiner Schwester. Sie klang trotz der Uhrzeit kein bisschen müde, was ich ebenso ärgerlich fand, wie zu dieser späten Stunde geweckt zu werden.
    »Deborah«, sagte ich, die Stimme heiser vor Müdigkeit, »es dauert noch zweieinhalb Stunden bis früh.«
    »Wir haben das Ergebnis deiner DNA -Probe«, antwortete sie, ohne auf meine für diese Uhrzeit wirklich schlagfertige Bemerkung einzugehen. »Es ist Tyler Spanos.«
    In dem Versuch, mein Gehirn in eine Art Wachzustand zu versetzen, zwinkerte ich mehrmals heftig. »Das Mädchen aus den Everglades? Das war Tyler Spanos? Nicht Samantha Aldovar?«
    »So ist es«, bestätigte sie. »Heute früh wird eine Sonderkommission eingesetzt. Chambers wird Koordinator, aber die Ermittlungen leite ich.« Ich konnte die Erregung in ihrer Stimme

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