Dexter
Anfeuerungsrufe brüllte und rohe Vorschläge machte. Es war beeindruckend, und ich ließ mir Zeit, schenkte dem Ganzen die Art wechselseitiger Professionalität, die es verdiente.
Ich kauerte auf einem Knie und beendete soeben die Untersuchung eines letzten mutmaßlichen Fußabdrucks, als ich erhobene Stimmen vernahm, die mit unerfreulichen und intimen Verletzungen drohten sowie verschiedenerlei profane Beschreibungen anatomischer Unmöglichkeiten äußerten. Das konnte nur eins bedeuten. Ich erhob mich und schaute hinüber zum Beginn des Wanderwegs, und selbstverständlich hatte ich mich nicht geirrt.
Deborah war eingetroffen.
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15
A lles in allem war es eine recht ambitionierte Auseinandersetzung, die sich ohne den Vertreter des FDLE sicher noch etwas hingezogen hätte. Ich kannte den Mann, Chambers, bereits vom Hörensagen, und nun trat er buchstäblich zwischen Deborah und den anderen Detective, einen großen Mann namens Burris. Eine Hand gegen Burris’ Brustkorb gestemmt, die andere höflich vor Deborah in der Schwebe, schnauzte Chambers: »Schluss jetzt!« Burris verstummte augenblicklich. Ich sah, wie Deborah tief Luft holte und zu einer weiteren Bemerkung ansetzte, aber Chambers sah sie nur an. Sie erwiderte seinen Blick und hielt die Luft an, dann atmete sie leise aus.
Ich war beeindruckt und trat näher, um den Mann vom FDLE besser sehen zu können. Sein Schädel war rasiert, und er war nicht sonderlich groß, aber als er sich umdrehte, wusste ich auch ohne das warnende Flattern des Dunklen Passagiers, warum Debs den Mund geschlossen hatte. Der Mann hatte den Blick eines Scharfschützen, wie man ihn von alten Bildern von Gesetzeshütern des Wilden Westens kennt. Diesen Augen widersetzte man sich nicht. Es war, als blickte man in zwei kalte, blaue Pistolenläufe.
»Hört mal«, sagte Chambers jetzt, »wir wollen doch nicht um Zuständigkeiten streiten, sondern die Angelegenheit klären.« Burris nickte, und Deborah schwieg. »Jetzt soll erst mal die Rechtsmedizin ran und versuchen, das Opfer zu identifizieren. Falls man feststellt, dass es Ihr Mädchen ist«, er nickte Deborah zu, »gehört der Fall Ihnen. Falls nicht«, er neigte den Kopf zu Burris, »dürfen Sie sich freuen. Dann ist es Ihrer. Bis dahin« – er blickte Deborah direkt an, und zu ihrer Ehre muss gesagt werden, dass sie seinem Blick, ohne zu zucken, standhielt – »halten Sie den Mund und lassen Burris arbeiten. Verstanden?«
»Ich brauche Zugang«, beharrte Deborah mürrisch.
»Zugang«, wiederholte Chambers. »Keine Kontrolle.«
Deborah sah Burris an. Er zuckte die Achseln und wandte den Blick ab.
»In Ordnung«, willigte sie ein.
Und so endete die Schlacht in den Everglades mit glücklichem Ausgang für jedermann – abgesehen natürlich von Dexter, dem Leibsklaven, denn Debs interpretierte »Zugang« anscheinend so, dass sie mir überallhin folgte und mich mit Fragen löcherte. Ich war ohnehin fast fertig, aber ein Schatten macht die Dinge nicht eben einfacher, insbesondere einer wie Deborah, die allzeit bereit war, mir einen ihrer schmerzhaften Armknüffe zu verpassen, falls ich nicht zu ihrer Zufriedenheit antwortete. Ich teilte ihr mit, was ich wusste und was ich mir zusammengereimt hatte, während ich mein BlueStar auf der Suche nach Blut an ein paar letzten Stellen versprühte. Das Spray zeigt selbst die winzigste Blutspur an, bis hin zum kleinsten Tröpfchen, und hat keine Auswirkung auf die DNA einer Probe.
»Was ist das?«, verlangte Deborah zu wissen. »Was hast du gefunden?«
»Nichts. Aber du stehst auf einem Fußabdruck.« Schuldbewusst trat sie zur Seite, und ich holte die Kamera aus der Tasche. Als ich mich wieder umdrehte, stolperte ich direkt in sie hinein. »Debs, bitte«, flehte ich. »Ich kann nicht arbeiten, wenn du mir ständig an der Hüfte klebst.«
»Na schön«, sagte sie und stapfte zur anderen Seite der Feuerstelle.
Ich hatte gerade das letzte Foto des größten Blutflecks geschossen, als ich Deborah rufen hörte. »Dex, he, komm mit deinem Spray hier rüber.«
Neben ihr kniete Vince Masuoka und nahm irgendeine Probe. Ich ergriff mein BlueStar und gesellte mich zu ihnen.
»Sprüh mal direkt hier«, befahl Deborah, aber Vince schüttelte den Kopf.
»Das ist kein Blut«, sagte er. »Die Farbe stimmt nicht.«
Ich betrachtete den Fleck auf dem Boden, den er gerade untersuchte. Man sah eine flache Delle, als hätte dort ein schwerer Gegenstand gestanden. Die Blätter dahinter hatten
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