Dexter
Vielleicht würde ich als Nächstes auf einen Zentauren oder einen Drachen stoßen oder womöglich auf einen ehrlichen Menschen.
Der Verkehr war spärlich, als ich durch die Dunkelheit zur Arbeit fuhr. Am Himmel hing eine große Mondsichel, die mich für meine Trägheit schalt.
An die Arbeit, Dexter,
wisperte sie.
Schlitz etwas auf.
Ich zeigte ihr den Finger und fuhr weiter.
Ein Konferenzraum im ersten Stock war geräumt worden, um als Kommandozentrale für Deborahs Sonderkommission zu dienen, und er summte vor Aktivität, als ich hineinschlenderte. Chambers, der FDLE -Vertreter mit dem rasierten Schädel, saß an einem gewaltigen Tisch, auf dem sich Ordner, Laborberichte, Karten und Kaffeetassen stapelten. Neben ihm lagen sechs oder sieben Handys, mit einem weiteren telefonierte er gerade.
Unglücklicherweise für alle Betroffenen – abgesehen vielleicht von J. Edgar Hoover, der vermutlich in einem spektralen Morgenmantel schützend über den Dingen schwebte – saß direkt neben Chambers Special Agent Brenda Recht. Auf ihrer Nasenspitze klemmte eine sehr schicke Lesebrille, die sie sogar noch weiter nach unten schob, um mich über den Rand missbilligend anzublicken. Ich lächelte ihr zu und sah hinüber zum anderen Ende des Raums, wo ein Mann in der Uniform eines State Troopers neben dem riesigen Schwarzen stand, der mir am Tatort aufgefallen war. Er drehte sich um und starrte mich an, deshalb nickte ich nur und ging weiter.
Deborah instruierte soeben zwei Detectives der Miami Dade, während ihr Partner Deke neben ihr hockte und sein Gebiss mit Zahnseide reinigte. Sie entdeckte mich und winkte mich herüber. Ich zog mir einen Stuhl heran und nahm Platz, als einer der Detectives, ein Mann namens Ray Alvarez, sie unterbrach.
»Klar, aber hören Sie«, sagte er. »Mir gefällt das nicht. Ich meine, der Typ sitzt im verdammten Stadtrat … Sie sind schon mal zurückgepfiffen worden.«
»Die Lage hat sich geändert«, versicherte ihm Deborah. »Dieser Mord ist beispiellos, die Medien drehen durch.«
»Klar, sicher«, meinte Alvarez. »Aber Sie wissen verdammt genau, dass Acosta nur darauf wartet, jemandem die Eier zu zerquetschen.«
»Machen Sie sich deswegen keine Sorgen.«
»Für Sie ist das einfach«, antwortete Alvarez. »Sie haben ja keine Eier.«
»Das glaubst du«, mischte sich Hood ein, der andere Detective, ein schwerfälliger Grobian, den ich flüchtig kannte. »Sie hat doppelt so viele Eier wie du, Ray.«
»Leck mich«, sagte Alvarez. Deke schnaubte, möglicherweise ein Lachen, aber vielleicht hatte er auch nur einen Essensrest erwischt, der jetzt in seiner Nase steckte.
»Finden Sie einfach Bobby Acosta«, befahl Deborah schneidend, »oder Sie haben keine Eier mehr, um die Sie sich Gedanken machen müssen.«
Sie funkelte ihn an, und er zuckte die Achseln und wandte den Blick zur Decke, als fragte er sich, was Gott gegen ihn hatte.
»Beginnen Sie mit dem Motorrad«, wies sie an. Sie warf einen Blick auf die Akte in ihrem Schoß. »Es handelt sich um eine rote Suzuki Hayabusa, ein Jahr alt.«
Deke pfiff, und Alvarez fragte: »Eine was?«
»Hayabusa«, wiederholte Deke, der angemessen beeindruckt wirkte. »Heißer Untersatz.«
»Okay, verstanden.« Alvarez betrachtete Deke mit müder Resignation, und Debs wandte sich an Hood. »Sie kümmern sich um das Auto von Tyler Spanos! Ein Porsche, Baujahr 2009 , blaues Cabrio. Er muss irgendwo auftauchen.«
»Vermutlich in Kolumbien«, meinte Hood, doch als Deborah den Mund öffnete, um ihn zu rügen, fügte er hinzu: »Ja, ich weiß; ich finde ihn, wenn er noch nicht weg ist.« Er zuckte die Achseln. »Nicht, dass es irgendwas helfen würde.«
»He«, sagte Deke. »Die Routinearbeiten müssen erledigt werden, weißt du.«
Hood sah ihn belustigt an. »Klar, Deke,
ich
weiß das.«
»Also gut«, sagte Chambers mit lauter Stimme, und alle Augen im Raum schwenkten zu ihm, als reagierten sie auf denselben Schalter. »Wenn ich eine Minute um Ihre Aufmerksamkeit bitten dürfte.«
Chambers stand auf und stellte sich so hin, dass er alle sehen konnte. »Als Erstes möchte ich Major Nelson«, er nickte dem Mann in der Trooper-Uniform zu, »und Detective Weems von der Miccosukee-Stammespolizei danken.« Der riesige Mann hob grüßend die Hand und lächelte seltsamerweise allen zu.
Ich stupste Deborah an und flüsterte: »Pass auf und lerne, Debs. Politik.«
Sie verpasste mir einen schmerzhaften Stoß mit dem Ellbogen und flüsterte: »Halt die
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